Die Prinzen Von Irland
leicht, als sie erwachte und feststellte, dass er fort war.
Peter hatte sich
leise, aber rasch von dannen gemacht. Nachdem er durch das nördliche Tor des
Hospizes hinausgehuscht war, näherte er sich der kleinen bewaldeten Anhöhe, die
er vor zwei Tagen ausgekundschaftet hatte. Schon hatte er einen Aussichtspunkt
gefunden: einen hohen Baum, von dessen Krone er die ganze Gegend überblicken
konnte. Wenn er die Blätter beiseite schob, schaute er auf das Flussufer, wohin
die Männer des irischen Hochkönigs kommen würden; nach Osten sah er bis Dublin,
bis zum Dach der Christ–Church–Kathedrale. Er löste die Schnüre um seine Taille
und nahm das Kissen von seinem Rücken. Ruhig öffnete er die Stoffhülle und zog
den dünnen, harten Gegenstand daraus hervor.
Es war eine Platte
aus Stahl, die so glänzend poliert war, dass man in ihr wie in einem Spiegel
jede Pore des Gesichts erkennen konnte. Strongbow hatte sie ihm gegeben. Peter schaute
nach Osten und lächelte. Der Himmel wurde heller, dann rötlich und golden. Und
dann sah er über der entfernten Bucht die Sonne wie einen Feuerball aufgehen.
Natürlich bestand die
Gefahr, dass er, wenn er das Zeichen sandte, sich selbst verriet. Wenn ihn die
irischen Belagerer schnappten, würden sie ihn gewiss töten. Er an ihrer Stelle würde
dasselbe tun. Doch angesichts der Gunstbezeugungen, die er von Strongbow bei
einer erfolgreichen Mission erwarten durfte, war das Risiko gering. Trotz
seiner Aufregung wartete er geduldig. Es wurde wärmer. Die Sonne hob sich über
die Bucht.
Die Patrouillen des
Hochkönigs müssten nun bald ausschwärmen. Er wartete und wartete, doch nichts
geschah. Vielleicht würden die Iren heute überhaupt nicht baden gehen. Er
fluchte leise. Eine weitere Stunde verging; es war nun fast zwölf Uhr. Endlich
schien sich etwas im Lager zu rühren. Über dem Flussufer sah er eine Gruppe
Männer auftauchen, die einen großen Gegenstand schleppten; er konnte jedoch nicht
erkennen, was es war. Sie setzten ihre Last oben an der Böschung ab. Immer mehr
Männer strömten herbei. Es sah aus, als trügen sie Kübel. Und plötzlich
verstand er, was sie taten: Sie füllten einen großen Zuber. Er wusste, dass die
Iren gerne ein Bad in einem Zuber nahmen, dessen Wasser mit heißen Steinen
erhitzt wurde. Das Absetzen dieses großen Badezubers konnte also nur eines
bedeuten – der Hochkönig von Irland würde ein zeremonielles Bad nehmen.
Kaum war oben an der
Böschung alles bereit, beobachtete er, wie eine einzelne Gestalt aus dem Lager
heraustrat, die von etwa einem Dutzend Männern begleitet wurde. Wenig später hoben
sie die Gestalt in den großen Badezuber. Während der O’Connor–König, umgeben
von seinen Gefährten, die königliehe Waschung zelebrierte,
plantschten seine Mannen unten am Fluss.
Peter konnte sein
Glück kaum fassen. Er drehte den Stahlspiegel herum und justierte sorgfältig
den Winkel. Er drehte die Stahlplatte nun hin und her.
Auf dem Dach der
Christ Church sah der Wachposten das kleine grünlich schimmernde Licht
aufblitzen. Das war das verabredete Zeichen. Kurz darauf sprangen das Süd– und
das Westtor auf; hundert leicht bewaffnete Reiter mit fünfhundert Mann Fußvolk
im Gefolge stürmten zur Furt, während zweihundert Ritter in ihren Rüstungen im
Galopp über die Holzbrücke donnerten.
* * *
Als die englischen Truppen die irischen
Linien durchbrachen und am Liffey entlang auf die Wiese zustürmten, wo der Hochkönig
sein Bad nahm, blieb dem O’Connor–König nur eben Zeit, seine Kleider zu raffen
und sich mit einem Satz in Sicherheit zu bringen. Die irischen Fußsoldaten um
sein Lager herum wurden abgeschlachtet. Innerhalb weniger Stunden wussten alle
belagernden Streitkräfte, dass der Hochkönig gedemütigt worden war und
Strongbows Armee sich befreit hatte. Die kampferprobten englischen Truppen
rückten unaufhaltsam vor. Speerspitzenangriffe der gepanzerten Kavallerie
vernichteten alle umliegenden Lager. Die Iren konnten mit der hochgezüchteten
europäischen Kampfmaschine im offenen Feld nicht mithalten. Ihre Gegenwehr
erlahmte rasch. Klugerweise zog sich der Hochkönig zumindest vorläufig zurück.
Das reiche Ackerland, das Vieh und die großen Ernteerträge von Leinster lagen
nun in Strongbows Hand.
Peter FitzDavid
erschien die Zukunft in prächtigem Licht. Schon in derselben Nacht hatte ihn
Strongbow mit einem Säckchen voll Gold belohnt. Kein Zweifel, weitere Belohnungen würden folgen. Aber er war kein
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