Die Prinzen Von Irland
Blick auf Doyle, und
sie wusste, sie war verloren. So ein Mann tut niemandem einen Gefallen, dachte
sie. So ein Mann nimmt sich, was er will, und stößt alles um, was sich ihm in
den Weg stellt. Sie sah ihren Vater vor sich, dem nichts anderes übrig bliebe,
als vor seiner eigenen Tür zu sterben, und ihre Mutter, die gezwungen wäre, auf
der Straße zu betteln, zumindest bis der Palmer ihr Unterschlupf gewähren
würde.
Was sollte sie also
tun? Über diese Frage grübelte sie, während der Bristoler Kaufmann an jenem
Abend mit dem Palmer und seiner Frau beim Essen saß. Der Fall schien
hoffnungslos, aber sie konnte doch nicht einfach aufgeben. Bloß um Milde zu
flehen wäre Zeitvergeudung; aber was könnte sie ihm anbieten? Umsonst für ihn
als Dienerin zu arbeiten? Das wäre wohl kaum genug, um das Haus zurückzubekommen.
Sich ihm als Sklavin zu verkaufen? Auch nicht besser.
Es gab nur eines, an
das sie denken konnte. Ihren Körper. Was wenn sie seine Dienerin wäre und sich
ihm dazu anböte? Sie vermutete, ein so herrischer Mann wie Doyle würde das mögen.
Aber ob er sie überhaupt begehrenswert fände? Sie hatte keine Ahnung. Sie
dachte an seine große, dunkle Gestalt und an sein hartes Gesicht, und ihr
schauderte. Einem solchen Mann wie eine Hure ihren Körper anzubieten: könnte sie
sich dazu überwinden? Einem Mädchen wie Fionnuala fiele es vielleicht nicht so
schwer, dachte sie. Sie wünschte sich beinahe, auch sie wäre so. Aber sie war
es nicht, und sie wusste, sie könnte nie so sein. Dann dachte sie wieder an ihr
armes Väterchen, biss sich auf die Lippe und sagte sich: Ja, wenn es sein muss,
für ihn tue ich es.
* * *
Ailred der Palmer erinnerte sich recht gut an
Doyle, obwohl die Geschäfte, die sie vor sechs, sieben Jahren abgewickelt
hatten, nicht besonders umfangreich gewesen waren. Er wusste von der Bedeutung des
Mannes in Bristol, und es schmeichelte ihm, dass Doyle ihn in diesen Zeiten zu
Rate zog.
»Seit ich dieses
Hospiz gegründet habe«, berichtete er dem Kaufmann, »habe ich kaum noch im
Hafen Handel getrieben. Daher bin ich nicht sicher, ob ich Euch sehr hilfreich
sein kann.«
Als Doyle den feinen
alten Nordmann und seine sanftmütige Frau ansah, empfand er Bedauern, dass der
Mann so schlimme Zeiten durchmachen musste, und überlegte, ob der Palmer gegen
ihn als Neuankömmling vielleicht einen Groll hegte. Doch er hatte schließlich
seine eigene Aufgabe zu erfüllen, und er war nicht ein Mann, der von seinem
Vorsatz abzubringen war. Aus diesem Grund löcherte er Ailred mit Fragen über
die Stadt, welche Handwerker es gebe, was ge– und verkauft werde, welchen
Händlern man trauen könne. Und wie er es erwartet hatte, wusste der Palmer eine
Mengezu berichten. Mittlerweile hatten sie ihr Mahl
beendet, und Obsttorte und verschiedene Käsesorten wurden aufgetragen. Der
Bristoler Kaufmann konnte sich zurücklehnen, seinen Wein genießen, sich
allgemeineren Themen zuwenden und auch Fragen beantworten, die Ailred ihm
stellte.
Insbesondere wollte
der Palmer etwas über die Stadt Bristol wissen – über ihre Ratsherren, ihre
Handelsprivilegien, und welche Steuern sie dem König bezahlte. »Denn darauf, vermute
ich, müssen wir uns nun auch in Dublin gefasst machen«, sagte er. Auf diese und
andere Punkte konnte Doyle ihm umfassend Antwort geben.
»Werdet Ihr nach
Dublin ziehen und hier leben?«, fragte Ailred der Palmer.
»Nicht im Augenblick«,
entgegnete Doyle. »Ich habe einen jungen Partner, der sich hier vorläufig um
meine Geschäfte kümmern wird. Er ist sehr tüchtig.« Was er nicht sagte, war, dass
dieser junge Mann, den er mit nach Dublin gebracht hatte, bereits ein
Verbrechen begangen hatte. Und dass dieser junge Mann vor sechs Jahren zu ihm
als Halbwüchsiger, als Taugenichts gekommen war.
»Dann habt Ihr keine
Familie in Dublin?«, wagte sich der Palmer vor.
»Wir stammen aus
Waterford. Dort habe ich einige Verwandte«, antwortete Doyle. »Der Letzte
meiner Familie, der in Dublin war, hat hier sein Leben gelassen. In der
Schlacht von Clontarf. Ein Nordmann wie Ihr, aber eine Däne. Einer der alten
Seewanderer.«
»Viele tapfere Männer
sind in dieser Schlacht umgekommen«, stimmte Ailred zu. »Vielleicht habe ich
von ihm gehört.«
»Ja, vielleicht. Um
ehrlich zu sein«, gestand Doyle, »die Familie in Waterford wusste nie sehr viel
über ihn, außer dass er ein hervorragender Kämpfer war. Er gehörte zu denen,
die Brian Borus Lager angegriffen haben. Soviel ich weiß,
Weitere Kostenlose Bücher