Die Prinzen Von Irland
Männer wie John Walsh
inne.
Ein Dubliner Kaufmann
hatte einst zu ihm gesagt:»Es ist eine große Erleichterung zu wissen, dass das
Umland in den sicheren Händen loyaler Engländer ist.«
Entspricht das denn
der Wahrheit?, fragte sich Walsh. Für Fingal mochte es zutreffen. Dort hatte
sich nur ein winziger Rest der alten keltischen Aristokratie erhalten – fast
alle früheren Wikingerfamilien waren aus Fingal vertrieben worden. An ihre
Stelle waren normannische und englische Namen gerückt – Plunkett und Field,
Bisset und Cruise, Barnewall und die Talbots von Malahide. Stämmige Engländer,
die untereinander oder in andere englische Familien einheirateten. Anderswo,
etwa am nördlichen Ufer des Liffey, war die Lage weniger eindeutig.
Johns Mutter hatte es
früher immer beunruhigt, dass ihr Sohn mit den einheimischen irischen Kindern
herumtollen durfte, doch sein Vater vertrat einen anderen Standpunkt. »Da er
mit diesen Leuten lebt«, sagte er, »ist es besser, wenn er sie auch kennt.« Und
John kannte sie wirklich. Manchmal kam sogar ein Harfenspieler oder ein
irischer Barde auf dasGehöft der Walshes und erbot sich,
seinen Vater in der Halle zu unterhalten – ein Angebot, das dieser nie ablehnte
und für das er die Sänger stets großzügig entlohnte. Für den jungen John war
kaum ein Monat vergangen, in dem er nicht mit den Fischern aus dem nahen
Küstenort Dalkey hinausgefahren oder die Wicklow–Berge hinaufgestiegen war, wo
er mit den O’Tooles und O’Byrnes herumgetollt hatte. Sie alle wussten, wer er
war: Er war ein Walsh, einer der Kolonisten, die ihnen ihr bestes Land
weggenommen hatten. Doch Kinder haben Zutritt zu Orten, an die ihre Eltern
nicht gehen mochten, und viele Jahre lang war sich der Junge kaum der Hürden
bewusst, die zwischen ihm und seinen Freunden standen. Er sprach ihre Sprache,
er war gekleidet wie sie, und er pflegte wie sie ohne Sattel zu reiten. Eines
Tages entdeckte er eine noch engere Bindung.
Einige Jungen waren
mit ihren Ponys in die Berge, hinüber zu den Seen in Glendalough, geritten. Das
alte Kloster dort war nur noch ein Schatten seiner selbst: Schon vor langer
Zeit war dieses Bistum von Dublin übernommen worden, und nur noch wenige Mönche
lebten dort; John war immer wieder beeindruckt von der stillen Schönheit dieses
Orts. Die Freunde hatten an der nahe gelegenen kleinen Siedlung Halt gemacht, als
er das dunkelhaarige Mädchen bemerkte, das ihn beobachtete. Sie war ungefähr so
alt wie er, schlank und, wie er fand, wunderschön. Sie saß auf einem Graswall,
aß einen Apfel und schaute ihn mit ihren strahlend grünen Augen unverwandt an.
»Wen oder was gaffst
du denn so an?«, hatte er gefragt, barsch in der Wortwahl, aber freundlich im
Ton.
»Dich.« Sie biss
wieder in ihren Apfel.
»Kenne ich dich?«
Sie schmatzte eine
Weile, ehe sie erwiderte: »Ich weiß, wer du bist.«
»Und wer bin ich?«
»Mein Cousin.«
Aufmerksam beobachtete sie das Erstaunen in seinem Gesicht. »Du bist doch der
Walsh–Junge.« Er bejahte. »Auch ich könnte eine Walsh sein, wenn ich wollte.
Aber ich will nicht«, erklärte sie grimmig und biss erneut in den Apfel. Dann
war sie plötzlich aufgesprungen und weggelaufen »Könnte dieses Mädchen wirklich
eine Verwandte sein?«, hatte er seinen Vater am Abend, als er nach Hause kam,
gefragt.
»Ja, das wird deine
Cousine gewesen sein, ganz recht.« Sein Vater schien amüsiert zu sein. »Ich
selbst habe sie nie zu Gesicht bekommen. Dein Onkel Henry war ein großer
Frauenfreund. Du hast mehr Cousins und Cousinen in Leinster, als du denkst. Da
gab es damals ein wunderschönes Mädchen in den Bergen. Das dürfte seine und
ihre Tochter sein. Es ist jammerschade, dass dein Onkel so früh gestorben ist,
aber er hat bestimmt ein Zeugnis seiner Durchreise hinterlassen.« Er seufzte
innig. »Ist sie hübsch?«
»Oh ja«, sagte John
und wurde rot.
»Ja, dann ist sie
deine Cousine«, hatte sein Vater bestätigt. »Und ich sage dir noch etwas. Das
meiste Land um uns herum bis hin nach Dublin gehörte der Familie ihrer Mutter. Die
Ui Fergusa nannte man sie. Wir leben hier zwar schon seit Strongbows Zeiten,
dem diese Ländereien zugesprochen wurden. Doch die Menschen hier haben ein
gutes Gedächtnis. Für die Nachkommen der Ui Fergusa leben wir auf ihrem Land.«
Die Erinnerung an das
Mädchen hatte John lange Zeit in Bann gehalten. Einmal war er sogar nach
Glendalough geritten, um nach ihr zu fragen. Doch man sagte ihm, sie sei
weggezogen, und er
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