Die Prinzen Von Irland
aufgeteilt. Das nördliche
Gut gehörte Baggot; das südliche war in den Händen von Gilpatricks Bruder
Lorcan geblieben. Dieser hielt sich immer noch für das Oberhaupt. Und dass er
seinen neuen Status nie voll und ganz verstanden hatte, beruhte teilweise auf
seinem Wunschdenken, aber auch, so glaubte Gilpatrick, auf dem Umstand, dass er
als Ire eine bedeutende Besonderheit des europäischen Feudalsystems nicht
begriff: den abwesenden Grundbesitzer.
In England oder auch
in Frankreich war es etwas Alltägliches. Der König gab seinen großen Lords
verstreut liegendeLändereien zur Pacht; die wiederum
hatten tenants, Lehensmänner.
Vielleicht lebte der Gutsherr auf dem Landgut; vielleicht war er aber auch
abwesend; oft besaß er mehrere Güter und wurde durch einen Steward, einen Verwalter,
vertreten, dem alle auf dem Besitz gehorchten.
Im Falle des Ui
Fergusa–Lands war der Gutsherr der König selbst, vertreten durch einen
Justiziar. Ein Verwalter kümmerte sich um das Alltägliche. Aus Bequemlichkeit
hatte man Lorcan als alleinigen Lehensmann auf dem Land belassen; in den ersten
Jahren war der vom Verwalter geforderte Pachtzins niedrig gewesen, und
Gilpatricks Bruder hatte ihn als den üblichen Tribut, den ein irischer
Stammesanführer seinem König schuldete, betrachtet. Mit der Ankunft von Prinz
Johanns neuen Verwaltungsbeamten hatte sich die Lage jedoch verändert, und der
Ärger nahm seinen Lauf. Als der Verwalter Tribut für den Ritterdienst
eingefordert hatte, zahlte Lorcan nicht. Auch einer Vorladung zum Gericht des
Gutsherrn kam er nicht nach. Als der Verwalter, ein geduldiger Mann, zu ihm
gekommen war, hatte er den königlichen Beamten mit Verachtung behandelt.
»Wir waren hier schon
Stammesoberhäupter, bevor man von Eurer königlichen Familie auch nur gehört
hat«, hatte er dem Verwalter entgegengehalten. »Ein Stammesoberhaupt gehorcht
nicht einem Diener.« Der Verwalter hatte den Kopf geschüttelt und war gegangen.
Er rächte sich mit
einem Doppelschlag gegen Lorcan. Zuerst erinnerte er den Justiziar daran, dass,
wenn der König das nächste Mal einen seiner Männer belohnen wolle, das südliche
Ui Fergusa–Landgut noch verfügbar sei. Und als das Landgut gerade neu
übereignet wurde, teilte der Verwalter dem neuen Lord mit, dass er einen
lästigen Lehensmann habe. »Weil es aber nie eine formale Genehmigung gegeben hat,
können wir ihn als jederzeit kündbaren Lehnsmann betrachten.«
Und so hatte der
Verwalter Gilpatricks Bruder vor einer Woche einen Besuch abgestatter und ihm
in aller Ruhe mitgeteilt: »Der neue Lord wird in Kürze eintreffen. Er wünscht, dass
Ihr verschwunden seid, bevor er kommt. Also packt zusammen und geht.«
»Und wo soll ich
hin?«, hatte Lorcan wütend gefragt. »Hoch in die Wicklow–Berge?«
»Wenn es nach mir
geht«, hatte der Verwalter kühl geantwortet, »könnt Ihr auch zur Hölle gehen.«
Nun war es also an
Vater Gilpatrick zu versuchen, die Situation zu retten.
Der Gedanke, das Land
der Vorfahren könnte womöglich für immer für die Familie verloren sein, auch
für die weibliche Linie, war bitter. Zum Glück waren mittlerweile die meisten
Töchter seines Bruders gut verheiratet; doch für zwei musste noch gesorgt
werden. Vielleicht könnte es mir zumindest gelingen, überlegte Gilpatrick, ihm
einige weitere Jahre zu erkaufen. Denn, wie sein Bruder ganz richtig betont
hatte, sollte jemand den neuen Gutsherrn davon überzeugen können, sich
barmherzig zu zeigen, dann nur er, Gilpatrick. Schließlich kannte er ihn.
Daher gab er sich
Mühe zu lächeln, als der ihm einst vertraute Mann näher kam und von seinem
Pferd auf ihn herabschaute.
»Lang ist es her,
Peter FitzDavid, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte Gilpatrick.
* * *
Es war wirklich lange her. Vor einem
Vierteljahrhundert war Peter FitzDavid nach Dublin aufgebrochen; mehr als
zwanzig Jahre hatte er auf seine Belohnung gehofft. Einige dieser Jahre hatte
er außerhalb Irlands verbracht; doch er war recht oft zurückgekehrt. Er hatte
im Westen, in Limerick, gekämpft und Garnisonen aufgestellt. Er genoss hohes
Ansehen bei denbewaffneten Männern auf der Insel. Peter
der Waliser nannten ihn die Iren; und bei den Englisch sprechenden Truppen und
den Siedlern hieß er Peter Walsh.
Er hatte gelernt,
geduldig und wachsam zu sein. Doch zur rechten Zeit hatte er wissen lassen,
dass ihn eine Belohnung anspornen würde; und jetzt, da sie ihm endlich gewährt
wurde, fiel sie besser aus, als er
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