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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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gute Laune in keiner
Weise getrübt.
    Das Handelsschiff war
vom Hafen von Waterford an der Südküste der Insel gekommen. Rund um die
irischen Küsten gab es eine ganze Reihe Häfen – die in der Hand der Wikinger
waren. Während die Kampfschiffe der Wikinger lang und schlank waren, hatten
ihre Handelsfahrzeuge mittschiffs eine breite Ausbuchtung, die es ihnen
erlaubte, in ihrem Bauch eine beträchtliche Menge Waren mitzuführen. Das Schiff
aus Waterford hatte eine Ladung Wein aus Südwestfrankreich mitgebracht, und
Harolds Vater hatte vor, ein paar Fässer zu kaufen. Während Olaf also mit den
Händlern redete, bewunderte sein Sohn gerade die schnittigen Linien des
Schiffs, als er von irgendwo hinter sich eine Stimme vernahm.
    »He, du.
Krüppeljunge. Ich red mit dir!«
    Harold wandte sich um
und erblickte einen blassen, schwarzhaarigen Jungen von neun bis zehn Jahren.
Er hatte Norwegisch und nicht Irisch gesprochen, und da Harold ihn nie zuvor
gesehen hatte, nahm er an, dass er mit diesem Schiff gekommen sein musste. Er
fragte sich, ob er den groben Fremdling nicht einfach ignorieren sollte, aber
dies könnte nach Feigheit aussehen, und so humpelte er zu ihm hin. Der Junge
glotzte auf seine Beine, als er sich näherte.
    »Wer bist du?«,
fragte Harold.
    »Der da ist dein
Vater, hab ich Recht?«, meinte der Junge, seine Frage missachtend, und nickte
in Richtung von Olaf, der ein Stück weit entfernt stand. »Der da mit dem
gleichen roten Haar wie du.«
    »Ja.«
    »Ich hab nicht
gewusst«, sagte der Junge nun nachdenklich, »dass du tatsächlich ein Krüppel
bist. Dein anderer Fuß ist aber heil, oder? Nur dein linker ist krumm.«
    »Ja. Aber das geht
dich nichts an.«
    »Vielleicht nicht.
Oder vielleicht doch. Wie ist das passiert?«
    »Ein Pferd ist auf
mich draufgefallen.« Ein Pferd, vor dem sein Vater ihn gewarnt hatte. Das Pferd
war mit ihm durchgegangen, dann über einen Graben gesprungen und gestürzt.
Dabei war sein linkes Bein unter dem Pferd eingeklemmt und zerquetscht worden.
    »Hast du noch Brüder?«
    »Nein. Nur
Schwestern.«
    »Genau wie man mir
gesagt hat. Es wird immer verkrüppelt bleiben, dein Bein, nicht wahr?«
    »Ich glaube schon.«
    »Was’n Jammer.« Er
grinste Harold sonderbar an. »Aber missversteh mich nicht: Das mit deinem Bein
ist mir egal. Ich hoffe, du hast Höllenschmerzen. Mir war nur lieber, du wärst
kein Krüppel, wenn du erwachsen bist.«
    »Wieso?«
    »Weil ich dich dann
umbringe. Sigurd heiß ich übrigens.«
    Dann drehte er sich
um und zwängte sich mit schnellen Schritten zurück durch die Menge; und Harold
war so verblüfft, dass der dunkelhaarige Junge, als er versuchte, ihm
hinterherzurennen, bereits verschwunden war.
    »Du weißt also, wer
das war?« Harold hatte seinem Vater von dem seltsamen Vorfall erzählt. Nun
machte dieser ein ernstes Gesicht.
    »Ja.« Dann hielt er
inne. »Wenn es der Junge ist, den ich meine, dann kommt er aus Waterford. Er
ist ein Däne.«
    Die erste norwegische
Siedlung in Dyflin hatte erst zehn Jahre existiert, als die dänischen Wikinger
anrückten. Seit sie die nördliche Hälfte von England in ihrer Gewalt hatten,
waren sie auch um die irische Küste herumgestreift und hatten nach Orten
gesucht, die sie plündern und besiedeln konnten. Die Handelsniederlassung,
welche die Wikinger aus Norwegen an der Liffey aufgebaut hatten, sah einladend
aus. Mit Waffengewalt rückten die Dänen an und verkündeten den Norwegern: »Wir
sind gekommen, um diesen Ort mit euch zu teilen.« Danach war man am Hafen eine
Generation lang weiter seinen Geschäften nachgegangen, jedoch unter
verschiedenen Herren: bald unter Norwegern, bald unter Dänen, bald unter der
Herrschaft von beiden. Aber obwohl es in der Gegend noch immer viele rothaarige
norwegische Siedler wie Harold und seine Familie gab, waren es nun die
dänischen Wikinger, die seit jüngster Zeit über Dyflin und viele andere irische
Häfen herrschten.
    »Aber warum sollte er
mich umbringen wollen?«, fragte der Junge.
    Sein Vater seufzte
tief. »Das ist eine Geschichte, die lange zurückliegt, Harold«, begann er. »Du
weißt doch, dass die Ostmänner von Dyflin immer einen ganz besonderen Feind
hatten? Ich meine natürlich den Hochkönig.«
    Sogar jetzt, sechs
Jahrhunderte nachdem Niall der Neun Geiseln Anspruch auf das Hochkönigtum in
Tara erhoben hatte, hatten seine Nachfahren, der Clan der O’Neills, wie sie
sich nannten, die Hochkönigwürde immer noch in ihrem Besitz und beherrschten
die

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