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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Freiheit ist nun auch Joses Penis, groß und gedreht, dick und stattlich. Beeindruckt wie jedes Mal, wenn er ihn sieht, achtet Alfredo darauf, nicht zu lachen. Auch darauf, die Unterhose nicht auf Armeslänge von sich wegzuhalten oder das Gummiband mit spitzen Fingern anzufassen; stattdessen lässt er die feuchte Hose lässig von den Fingern hängen, als wolle er Jose zeigen, wie wenig ihm das ausmacht, wie sehr es ihn freut und wie geehrt er sich fühlt, das für seinen Vater tun zu können.
    »Wirst du auch deinem Sohn die Windeln wechseln?«
    Alfredo stopft Kissen unter die Beine seines Vaters . »Willst du die Decke?«
    »Nein«, sagt Jose. »Ich will, dass deine Mutter morgen früh reinkommt und mich mit einer Monsterlatte erwischt.«
    »Gute Nacht, Papi.«
    »Spielen wir morgen noch mal mit denselben Zahlen? Beim Lotto? Können aber auch neue nehmen. Wenn du willst. Vielleicht Isabels Geburtstag?«
    »Auf jeden Fall«, sagt Alfredo. »Ich geh jetzt mal, bevor sie die Küche in Brand steckt.«
    »Irgendwelche Nummernschilder gesehen heute Abend?«
    »Ein Paar.« Alfredo weiß, sein Vater will nicht, dass er geht. »Ich hab ne Zivilbullenstreife gesehen.«
    »Haben sie dich angehalten?«
    »Kennzeichen 3AT649.«
    Jose fragt ihn, was das multipliziert ergebe, drei mal sechs mal vier mal neun, und Alfredo liefert prompt das Ergebnis. Jose fragt ihn, was diese Zahl mit vier multipliziert ergebe (seiner Glückszahl), und Alfredo braucht für die Antwort exakt so lange wie dafür, die Augen zu schließen und zu sehen, wie die Ziffern – grün-violett leuchtend – sich vor einem schwarzen Hintergrund ganz von selbst finden: 2592.
    Jose pfeift leise. »Guter Junge, mein Dito. Guter Junge.«
    Jetzt ist es Alfredo, der nicht gehen will. Er lehnt am Türrahmen, verweilt in dem wohligen Gefühl, das der Segen seines Vaters erzeugt hat. Über dem Kopfende des Bettes schwebt der geisterhafte Umriss eines riesigen Kruzifixes. Als Lizette umgezogen ist, hat sie lediglich den Wecker von der Kommode und das Kreuz von der Wand genommen. Aber es ist noch immer da, auf gewisse Weise. Alfredo kann ein T erkennen, wo das Kreuz einmal gehangen hat; die Wandfarbe dort wirkt frischer. Gerne würde er wissen, ob dieses Pseudokruzifix womöglich noch funktioniert, ob es der Heidenseele seines Vater womöglich noch ein Fünkchen göttlichen Schutzes gewährt. Und falls ja, fragt sich Alfredo, ob womöglich sogar noch genügend Saft für einen guten Jungen wie mich drin ist?
    I sabel und Alfredo liegen im Bett, geben acht, einander nicht zu berühren. Auf der Straße, unter ihrem geöffneten Fenster, schmeißen gummibehandschuhte Männer aus Staten Island Säcke in den gezackten Schlund eines Müllwagens. Pizzakartons, Tüten mit abgelaufener Milch, ausgewaschene Konservendosen, ausgelesene Zeitschriften, übrig gebliebener Reis, zerrissene Belege – alles wird zerkaut und verdaut. Hydraulischen Druck ablassend, ein Geräusch irgendwo zwischen Rülpsen und Seufzen, fährt der Laster weiter zum nächsten Wohnblock. Isabel und Alfredo horchen, wie er sich – piep-piep-piep – entfernt.
    Alfredo verschränkt die Arme hinterm Kopf, seine Ellbogen stehen ab wie Zwillingsantennen auf Empfang. Seine Achselhöhlen miefen. Wo wir schon beim Müll sind! Bestimmt hat er ein schlechtes Gewissen – er sollte eines haben, denkt Isabel –, sonst würde er nicht stinken wie ein Iltis. Es ist, als wäre etwas in ihm geronnen. Selbst mit dem Rücken zu ihm riecht sie ihn. Sie liegt auf der Seite, schaut auf den Papagei mit der Uhr im Bauch. Es ist 3.47 Uhr. Es ist 3.48 Uhr, und Isabel ist ein Kinderschwimmbecken. Weil er weiß, dass etwas nicht stimmt, zieht Christian Louis Bahnen. Er knallt gegen Mamas Gebärmutterwand, wendet und knallt ihr in die Blase. Er schwimmt Freistil. Er schwimmt Schmetterling und Rücken. Er peitscht mit den fötalen Ärmchen, strampelt mit den fötalen Beinchen. Isabel würde sich gern umdrehen und auf der anderen Seite liegen, aber sie kann nicht, weil sie dann Alfredo ins Gesicht sehen muss, und wenn sie Alfredo ins Gesicht sieht, wird sie ihm die Augen auskratzen müssen.
    Das mit der Großen Überraschung hat nicht ganz so geklappt wie erhofft. Zunächst ist ja alles prima gelaufen. So, wie es hatte laufen sollen. Als das Wasser kochte, hat Isabel den Herd ausgestellt. Zweiter Schritt: Sie hat Topfhandschuhe angezogen. Als sie den Topf ins Badezimmer schleppte, bekam sie einen kleinen Schluckauf. Der Topf war nicht nur

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