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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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leisten und mich besonderen Auflagen gemäß verhalten, wann immer ein Mitglied des Bewährungsausschusses oder ein befugter Vertreter diese in Schriftform verfügt.
    Hiermit bestätige ich, dass ich die vorstehenden Auflagen meiner Entlassung verstanden und eine Ausfertigung des Entlassungsbescheids erhalten habe.
Datum:
15. Juni 2002
Entlassener:
Tariq Batista
3010PRS (12/00)
Zeuge:
J. Beardsley
KOPIE AN HÄFTLING

7
Comeback
    Isabel sitzt auf dem Beifahrersitz eines Wagens, ihre lackierten Zehen winken aus dem Fenster. Die Lüftungsklappen sind wahrscheinlich so eingestellt, dass ihr die Klimaanlage unters Kleid pustet und die Weichteile kühlt. Isabel steht an der Straßenecke und isst einen Arepa-Fladen. Ihr Kinn glänzt vom Fett, das sie nicht abwischt, was ihr überhaupt nicht ähnlich sieht. Isabel sitzt hinten in einem Taxi. Isabel geht die Stufen zur 7 hoch. Isabel schiebt einen Kinderwagen – Moment, nein, nein, nein, nein, unmöglich, viel zu früh. Die Hintertüren eines Transporters schwingen auf, Isabel hüpft auf die Straße. Auf der Seite des Wagens steht Teppichreinigung, aber Isabel hat weder einen Staubsauger, einen Besen noch einen Schrubber in der Hand. Isabel kommt aus einem der Schmuckläden auf der 74th Street. Sie trägt eine kleine Tüte, womöglich vollgestopft mit Goldkettchen, aber Sekunde mal, ach, schon gut, diese Frau ist ganz offensichtlich nicht Isabel. Die Frau ist Inderin, was Isabel nicht ist, und trägt hochhackige Schuhe, was Isabel nie tut. Isabel geht bei Rot über die Straße, schlüpft zwischen den fahrenden Autos hindurch. Isabel steht an der Ampel und drückt wie blöde den grünen Knopf. Isabel kommt aus einem Billiardcafé, Isabel betritt eine Bank, Isabel sitzt hinter einer riesigen Glasscheibe und lässt sich von einer Chinesin die Fingernägel feilen, Isabel stolpert über ihre eigenen Füße und stürzt auf den Gehweg, und als Tariq die Hand nach ihrem Ellbogen ausstreckt, um ihr aufzuhelfen, weicht sie zurück und läuft weg.
    Während er ihr hinterherschaut, spürt er etwas, das er schon den ganzen Vormittag gespürt hat, als würde ihm ein Klumpen Eis im Hals feststecken. Die Handtasche der Frau hüpft auf und ab, während sie den Block entlangrauscht. Ihr Nacken ist angespannt. Tariq weiß, dass sie sich am liebsten umdrehen und ihm ins Gesicht sehen würde, was sie aber nicht tun wird, weil er ihr Angst macht.
    Isabel kommt näher und weicht weiträumig aus, damit sie sich nicht anrempeln. Schon den ganzen Morgen sieht er Isabel: im Bahnhof Beacon, im 6.50-Uhr-Bus Richtung Grand Central, in der Subway, aus den Fenstern der 7, viele Meter unterhalb der Hochbahngleise, als einsames Pünktchen auf dem Asphalt. Aber er hat bisher nur eine oder zwei Isabels gleichzeitig gesehen. Jetzt, wo er aus der Bahn raus und in Jackson Heights angekommen ist, entdeckt er ihre angedeutete Stupsnase im Gesicht jeder Frau, ihre Locken und ihre kupferfarbene Haut, rechts fliegt plötzlich ihr Mund vorbei, die Lippen prall und blutrot. Er sieht Isabel, wohin er auch schaut, und immer wenn er sie sieht, wird das Eis in seiner Kehle zu Wasser.
    Aber, oh Mann, die Isabel, die da auf ihn zukommt, die Gesichtszüge sind derart verschwommen … Tariq ist sich nicht sicher. Die Haft hat sein Sehvermögen geschädigt. Viel zu früh am Abend gingen in Fishkill auf einen Schlag die Lichter aus, bis auf eine kleine Glühbirne am Ende des Ganges, dort, wo der Wachhabende saß, die einen goldenen Splitter in seine Zelle warf. Er war aufgestanden, hatte sich auf den Boden gesetzt und Das Buch in diesen Splitter gehalten. Das Gesicht ans Gitter gepresst, hatte er in dem Dunkel gelesen und gelesen, was seine Augen ungeheuer überanstrengte. Und so ist die Isabel, die nun auf ihn zukommt, total verschwommen, aber sie läuft genau wie die echte Isabel, den Kopf gesenkt und die weichen Hände zu Fäusten geballt. Mach dich bereit, Tariq. Diese Isabel könnte tatsächlich die richtige sein.
    Er hechtet in den nächstgelegenen Laden, duckt sich und linst aus dem Fenster. Lichter spiegeln sich flimmernd in der Schaufensterscheibe, rote, gelbe und weiße, und alle kommen sie aus dem Laden. Elektromotoren schnurren, Geräte piepsen. Entlang der einen Wand erstreckt sich ein Tresen bis in den hinteren Teil des Ladens, und hinter dem Tresen befinden sich Kameras, Telefone, Fernseher, DVD-Player, Anrufbeantworter, Pager, Antennen und ein Araber in einem weiten, cremefarbenen Gewand, der sich mit beiden

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