Die Prinzen von Queens - Roman
Haschreich. Vladimir lernte neue Namen kennen: Alyssa Milano, Yasmine Bleeth, Jennifer Love Hewitt. »Was ist mit Blondinen?«, fragte er. Du willst Blondinen? Rebecca Romijn, Donna D’Errico, Gena Lee Nolin, Pamela Anderson. Ja klar, wollte Vladimir sagen, aber was ist mit echten Blondinen? Kennt ihr denn keine, na ja, richtigen Mädchen? Habt ihr Schwestern, Cousinen, außergewöhnlich geile Putzfrauen? Die Mädels von Baywatch sind ja ganz nett, versteht mich nicht falsch, nur kann ich leider ihre Sonnencreme nicht riechen.
Einmal, im Astoria Park, stand eine Gruppe Mädchen zusammen und rauchte, und Vladimir und seine Freunde gingen – auf sein Drängen hin – zu ihnen, um die eine oder andere Zigarette zu schnorren. Eines der Mädchen steckte ihm eine Camel zwischen die Finger und bot ihm Feuer an, aber als er den abgeblätterten Nagellack sah und den Qualm aus ihrem feuchten Mund roch und sich erinnerte, wie ihre Hand die seine berührt hatte, spürte er in seiner viel zu engen Landei-Hose etwas steif werden, und auf einmal wurde Vladimir richtig nervös, und wahrscheinlich deshalb steckte er sich die Zigarette falsch herum in den Mund und versuchte ohne Erfolg, den Mentholfilter anzuzünden. Was alle – die Jungs, die Mädchen – zum Wegschmeißen komisch fanden. Den Filter! Du wolltest den Filter anzünden? O Gott! Ha ha ha!
»So rauchen wir halt in Russland«, sagte er kleinlaut.
Das war keine seiner besseren Lügen. Schlimmer noch, für die nächsten paar Monate wurde sie zum Grundschema der Sticheleien seiner Freunde. Gab Vladimir in Mathe eine falsche Antwort, hieß es, Aha, so berechnet man also den Radius eines Kreises in Russland. (Wobei »Russland« stets einen behäbigen Boris-und-Natascha-Zungenschlag bekam.) Wenn Vladimir im Sportunterricht den Korb verfehlte: Zählt das in Russland als Dreier? Wenn er »konsequent« falsch aussprach, »Orgie« mit »Orgasmus« verwechselte oder vergaß, sich sein Extra Value Meal in Supersize geben zu lassen. So bestellt man also Fastfood in Mütterchen Russland?
»Das ist doch total beknackt, Fotzkopp.«
»Weißt du überhaupt, was eine Fotze ist?«
»Weißt du’s?«
»Weißt du’s?«
Sie waren seine Freunde. Sie waren fies zum ihm. Das war okay. Er war auch fies zu ihnen. Habt ihr HBO zu Hause? Hindu-Busen-Olgas? Ha ha ha! Sie waren Achtklässler.
Z u Hause, als sie chinesisches Essen aus Pappschachteln aßen, sagte Vladimir: »Sie wollen wissen, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst.«
»Wer?«
»Meine Kumpels in der Schule.«
Misha war erleichtert. »Sag ihnen, sie sollen sich um ihren eigenen Kram kümmern.« Es gab Regeln, hatte er erklärt. Rede nicht darüber, was ich tue. Rede über nichts, was mit der Familie zu tun hat. »Weißt du, wer redet?«, fragte er. »Schwarze. Labern rum, können die Fresse nicht halten, deshalb werden sie ständig eingebuchtet.«
»Kann ich ihnen von Mama erzählen?«
»Was ist mit ihr?«
»Kann ich ihnen von Dad erzählen?«
»Ja klar, erzähl ihnen, er liegt irgendwo besoffen in einer Schneewehe. Ach, komm schon. Mach nicht so ein Gesicht. Tut mir leid. Komm, hör auf. Tut mir leid. Erzähl ihnen von Dad, was du willst.«
»Kann ich sagen, er wär beim KGB? Das wär phat .«
»Sag nicht ›phat‹.«
»Was erzähl ich von dir?«
»Vladimir. Du erzählst gar nichts von mir.«
»Du kapierst es nicht! So freundet man sich an mit Leuten.« Es war irgendwie verkehrt – aber auch eigentümlich aufbauend –, seinem Bruder etwas zu erklären. »Man stellt sich Fragen und erzählt sich Geschichten.«
»Sag ihnen, ich studiere.«
»Du bist zu alt.«
»Vladimir«, warnte Misha.
»Na ja, bist du doch.«
»Sag ihnen, ich bin Doktorand.«
»Welches Fach?«
» Perestan’ bit dabajobom !«
»Ich will doch bloß eine Geschichte in petto haben, wenn sie fragen. Meine Güte. Und wenn sie es ihren Eltern erzählen und die begegnen dir dann, bei einem Elternsprechtag oder so, und fragen: ›Ach hallo, und, wie ist das Doktorandenleben? Sie studieren doch Punktpunktpunkt, oder?‹ Ich will einfach, dass du vorbereitet bist. Dass du weißt, was auf dich zukommt. Vielleicht machst du ja ein Aufbaustudium Wirtschaft? Mmh? Oder vielleicht Chemie?«
»Was klugscheißt du hier rum?«
»Nein! Ich mein’s ernst!«
»Erzähl ihnen, ich studier Literatur«, sagte Misha. Ihm gefiel der Klang des Wortes. Er stellte sich ein Leben mit stiller Lektüre und Hausarbeiten vor, das er in der Arbeitsnische einer
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