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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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zweite, ältere Beamte trat auf ihn zu und wiederholte die Frage seines Kollegen.
    »Lauren Griffith, Dr. Lauren Griffith. Es ist ihr Fahrrad. Sie arbeitet in der Solarfarm.« Ungeduldig beantwortete er die Fragen des Polizisten, bis der schließlich seinen Notizblock zuklappte und mit ernstem Gesicht sagte:
    »Ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Unfall handelt, Senhor.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Schauen Sie!« Er ging zum Fahrrad und winkte ihn zu sich. »Hier im Sand, Schleifspuren. Sie führen zur Stelle, wo sich die Reifen eines Wagens in die Erde gegraben haben, als hätte man stark beschleunigt. Und unter dem Rad haben wir ein Mobiltelefon gefunden. Gehört wohl dem Opfer.« Opfer! Das hörte sich an wie anonyme Statistik.
    »Wollen Sie damit sagen, dass man sie mit Gewalt ...?« Der Beamte nickte und seufzte, als ärgerte er sich über zusätzliche Arbeit:
    »Sieht leider ganz nach einer Entführung aus.«
    »Wir müssen sie suchen!«, drängte Charlie. Die stoische Ruhe des Beamten reizte ihn bis aufs Blut.
    »Sie müssen nur morgen auf dem Posten in Amareleja erscheinen, um das Protokoll zu unterschreiben. Sonst lassen Sie bitte die Finger davon. Dieser Fall ist ganz allein Aufgabe der Polizei.« Der Uniformierte musterte ihn grimmig, fast so, als hoffte er auf Widerspruch.
    »Und was geschieht jetzt?«, fragte Charlie nur.
    »Wir schalten die Kriminalpolizei in Moura ein. Sie sind schon alarmiert und werden die Spurensicherung schicken. Sobald wir die genauen Personalien der Vermissten haben, werden wir die Fahndung auslösen. Es braucht Geduld. Entführer wollen Lösegeld, und wir müssen warten, bis ihre Forderungen eintreffen. Die Kollegen werden wohl eine Fangschaltung an ihrem Arbeitsplatz installieren.«
    Wunderbar, alles im Griff , dachte er bitter. Er wäre dem Polizisten am liebsten an die Gurgel gesprungen. Die Hände in den Schoss legen, warten, bis sich jemand meldete? So lief das nicht, wenn der Schurke dahinter steckte, dem er eine solche Aktion ohne weiteres zutraute: Vidal. Vielleicht malte er den Teufel an die Wand, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass die Entführer bereits alles hatten, was sie wollten. Sie hatten Lauren, und sie schwebte in höchster Lebensgefahr, wenn sie überhaupt noch lebte. Er fluchte innerlich, dass es seinem Gesicht anzusehen war.
    »Ist was?«, fragte der Polizist sichtlich irritiert. Charlie mochte nicht reden, er schüttelte nur stumm den Kopf und beeilte sich, wegzukommen.
    Ich bringe dich um!, die Drohung kreiste unauslöschlich in seinem Schädel. Er wäre zu allem fähig, wenn dieser Wahnsinnige ihr auch nur ein Haar krümmte. Seine eigenen Ermittlungen begannen am Laptop im Zimmer der Pension, wo er abgestiegen war. Er suchte die besten Portraits von Lauren und Vidal in seinen Dossiers im Computer und im Handy und druckte sie aus. Ein Glück, dass er die Unterlagen aus Adelaide seinerzeit eingescannt hatte, denn sonst gab es nirgends ein brauchbares Foto von diesem geheimnisvollen Vidal. Mit den Bildern unternahm er eine Tour de Force durch Amareleja. Irgendjemand musste doch etwas gesehen haben.
    Er begann beim Postamt. Negativ. War wohl nicht anders zu erwarten, denn Laurens Paket lag immer noch am Tatort. Dann arbeitete er die Liste der wenigen Gasthäuser ab, die Garage am Platz. Nichts. Niemand wollte sie oder Vidal gesehen haben. Aber er gab nicht auf. Seine Liste war lang. Auf der Strasse fragte er die Passanten, dann klapperte er die Läden ab. Hier hatte er mehr Glück. Ein paar Angestellte kannten Lauren, aber auch sie hatten sie heute nicht gesehen.
    Als er den Supermercado betrat, brach draußen plötzlich die Hölle los. In halsbrecherischem Tempo donnerte ein schwerer Lastwagen nach dem anderen durch die enge Gasse, begleitet von Blaulicht und heulenden Sirenen. Der Heidenlärm wollte nicht enden. Es mussten drei, vier lange Löschzüge sein, die durchs Dorf brausten. In die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Was ist denn hier los?«, fragte er die alte Frau verwundert, die erschrocken hinter der Ladentheke hervorgesprungen war.
    »Der Wald brennt«, antwortete sie tonlos und bekreuzigte sich hastig. Er sah, dass ihre Hände zitterten. Sie fürchtete sich.
    »Hier in der Nähe?« Sie nickte.
    »Auf dem Hügel.« Das Feuer wird alle Spuren vernichten , war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, doch sogleich schämte er sich dafür. Diese Leute kämpften gegen einen

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