Die Probe (German Edition)
fragte Kichi:
»Schmeckt Ihnen der Fugu, Suzuki-san?«
»Hai, hai.« Sein Gast beeilte sich, noch einen Bissen zu essen.
»Wissen Sie, Monsieur Vidal hat recht. Mein Koch ist ein wahrer Meister. Er versteht es, die guten und die giftigen Teile des Kugelfisches stets sauber zu trennen. Wir wollen doch nicht, dass einer unserer Gäste eines qualvollen Todes stirbt, nicht wahr?«
»Hai, hai«, antwortete Kichi mit erstickter Stimme, den Blick starr auf seinen Teller gerichtet. Nakamura war noch nicht fertig mit seinen Erklärungen. Mit freundlicher Stimme fuhr er fort:
»Der Meister hat ein einfaches Prinzip, um die guten und die tödlichen Stücke auseinanderzuhalten.« Er machte eine Kunstpause und schaute Kichi durchdringend an. »Alles Geschirr, das mit giftigen Teilen in Berührung kommt, ist mit einem roten Punkt gekennzeichnet. So sind Verwechslungen unmöglich.« Unwillkürlich schob der bedrängte Kichi das letzte Stück in seinem Teller ein wenig zur Seite. In der Mitte seines Tellers prangte ein großer roter Fleck. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu springen. Er hustete, keuchte und würgte, presste die Hand vor den Mund, wagte aber nicht, aufzuspringen und schreiend wegzulaufen. Nakamura bemerkte seelenruhig:
»Sie sollten jetzt viel Wasser trinken. Es dauert eine Weile, bis das Gift wirkt, aber wenn es anfängt, brennt es wie die Hölle.« Sein Gast saß wie gelähmt mit rotem Kopf am Tisch und drohte zu ersticken.
Plötzlich wandelte sich Nakamuras ernste Miene. Ein spöttisches Lächeln umspielte seinen Mund, als er sagte: »Mögen Sie den letzten Bissen nicht mehr?« Seufzend wandte er sich an die Schöne im Schulmädchenkostüm: »Das ist jammerschade um den ausgezeichneten Fisch, nicht wahr?« Kichernd erhob sie sich, ging mit ihren Stäbchen zu Kichi, der immer noch auf seinen Teller starrte, als stünde er in Flammen. Sie beugte sich über seine Schulter, pickte das letzte Stückchen Fugu elegant auf und aß es genussvoll. Er rührte sich nicht, wagte kaum zu atmen und verstand offenbar die Welt nicht mehr. Nach einer Weile konnte Nakamura nicht mehr an sich halten. Er brach in lautes Gelächter aus, in das seine beiden Damen sofort einstimmten. Auch Vidal lächelte säuerlich aus reiner Höflichkeit. Unvermittelt verstummte der Hausherr und sagte eindringlich zu Kichi, der allmählich begriff, dass er nicht an diesem Fisch sterben würde: »Diesmal hat sich der Meister wohl geirrt.«
Zürich
Francesca zupfte ihr Haar vor dem Spiegel im Bad neben Michaels Handelsraum zurecht und zog die Lippen sorgfältig nach. Sie steckte den Stift wieder in ihre Tasche und wollte auch das Handy einpacken, als sie feststellte, dass es Michaels Telefon war. Eine neue Meldung zeigte das Display an. Neugierig drückte sie die Taste, um die Nachricht zu öffnen und las sie.
Achtung!
Verbindung Vidal mit jap. Mafia
Ruf mich an
Charlie
»Was zum Teufel ...«, brummte sie ärgerlich. Was mischte sich dieser Charlie in ihre Angelegenheiten? Sie fand die Behauptung lächerlich, und gegenstandslos, denn schließlich hatte Vidal seine fünfhundert Millionen wie angekündigt investiert. Dieser Scheißbeamte , dachte sie und löschte die Meldung kurzerhand. Michael sollte sich nicht unnötig beunruhigen, er musste sich jetzt auf seine Strategie konzentrieren. Sie ging in den Handelsraum, legte Michael das Handy aufs Pult und verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss.
Während sein Assistent Walter die Telefone mit Brokern und Banken erledigte, um die Umschichtungen der Handelsbestände vorzunehmen, die er am Morgen ausgearbeitet hatte, studierte Michael seine Notizen. Es war alles andere als einfach, eine Anlagestrategie für Vidals Geldsegen zu entwickeln. Die Märkte zeigten noch immer keinen klaren Trend nach der großen Krise. Die Volatilität war hoch, Kurse bewegten sich teilweise in erratischen Sprüngen. Ein wildes Gerüchte genügte, um Ausschläge von fünf oder zehn Prozent an einem Tag auszulösen. Aber immerhin hatte er ein paar Kandidaten von Titeln herausgefiltert, die er für seine Strategie einsetzten könnte. Das Handy piepste. Charlie meldete sich:
»Du bist schnell wieder verschwunden nach der Beerdigung.«
»Ja, leider, die Geschäfte. Ich bin ziemlich unter Druck. Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich mach’s kurz, Michael. Hast du meine Message nicht bekommen?«
»Message?«
»Die SMS heute Morgen.«
»Ich habe nichts gesehen. Worum geht’s denn?«
»Seltsam. Ich
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