Die Probe (German Edition)
einfachen Mahl widmete. Manchmal schien ihr, als gehörten sie schon ewig zusammen, obwohl erst wenige Tage vergangen waren seit jener ersten leidenschaftlichen Nacht nach dem Hanami.
»Dir schlägt wohl nichts auf den Magen?«, lachte sie, als Renate weiter aß ohne aufzublicken.
»Doch, Stress macht mich hungrig.«
»Oh, dann musst du ein sehr entspanntes Leben führen, bei deinen Traummaßen.« Renate legte die Essstäbchen weg und entgegnete vorwurfsvoll:
»Sehr witzig. Ich bin fast gestorben.«
»Aber wir haben, was wir wollten, glaube ich jedenfalls.« Daisy nahm die Notizen aus der Tasche, die sie bei der Untersuchung von Kichis Telefon angefertigt hatte. Nach einer Weile kramte sie das kleine, rote Büchlein hervor, in dem sie ihre wichtigsten Informationen sammelte. »Das ist kein Zufall!«, rief sie plötzlich aus.
»Was?«
»In seiner Anrufliste taucht häufig eine Nummer auf, die mir irgendwie bekannt vorkam. Die Nummer gehört zu Kobes Yamate-Bezirk. Und wer meinst du residiert in jener schönen Gegend?« Renate zuckte die Achseln. Sie kannte niemanden in Kobe. »Unser geheimnisvoller Nakamura-san.« Es dauerte ein paar Sekunden, bis Renate begriff, was ihre Freundin damit andeutete.
»Du meinst – er spioniert für Nakamura?« Daisy nickte bedächtig und murmelte:
»Es passt alles zusammen.« Sie holte die Kopien aus der Tasche und zeigte nach einer Weile auf eine Reihe Einträge. »Hier, die Besuche deines braven CEO Yamada in diesem Etablissement. Der Name des Lokals bedeutet doch soviel wie Frühling, nicht wahr?«
»Ewiger Frühling, oder so ähnlich«, stimmte Renate zu.
»Ich wette, das ist ein Lokal im Rotlichtviertel, wo der ›Frühling verkauft‹ wird, wie man hier die Prostitution umschreibt. Wahrscheinlich bieten sie dort einige Spezialitäten an, zu denen nur eine ausgewählte Kundschaft Zugang hat. Zum Beispiel die Dienste sehr junger Mädchen, die man auf den Philippinen oder in China billig einkauft. Ich habe gelesen, dass arme chinesische Familien bereit sind, unerwünschte Töchter dank der Einkind-Politik für lumpige fünftausend Dollar zu verkaufen.«
Renate schluckte leer, als sie das hörte. Natürlich hatte auch sie von der blühenden Sexindustrie gehört, aber das waren abstrakte Informationen, die nichts mit ihrem Leben zu tun hatten und sie deshalb kalt ließen. Der Gedanke, dass diese schmutzige Welt plötzlich nicht mehr so strikte von der ihren getrennt war, ließ sie frösteln.
»Wer ist man?«, fragte sie schließlich leise, obwohl sie die Antwort kannte.
»Gangster, die Yakuza. Sie kontrollieren nicht nur das Sex-Business, sondern sind immer noch erfolgreich als Erpresser tätig.« Daisy blätterte aufgeregt weiter in den Kopien. »Alles passt zusammen«, wiederholte sie schließlich befriedigt. »Hier ist meine Theorie: Kichi ist ein Sokaiya, ein Sammler dreckiger kleiner Geheimnisse wichtiger Leute bei Saitou. Mit diesen Informationen wird die Firma erpresst. Die graue Eminenz Nakamura ist ein so gefürchteter Mann, weil er den CEO und vielleicht noch andere Entscheidungsträger in der Hand hat. Ich glaube, er ist einer der Yakuza-Bosse, ein Oyabun.«
Kobe
Der stattliche ältere Mann mit der weißen Haarpracht saß mit entrücktem Lächeln im Gesicht am Kopfende des Tatamitisches. Sein Blick schweifte ungehindert über das kunstvoll geschnitzte Holzgeländer der Terrasse auf die zwischen sanften, grünen Hügeln wie zufällig hingestreuten Bäche, Brücken und Teiche seines ausgedehnten Gartens. Die überbordende Blütenpracht des späten Frühlings umrahmte die Kieswege und brachte die feinen, steinernen Skulpturen erst richtig zur Geltung. Wie ein unergründlich komplexes Kunstwerk erschien ihm das Bild, das sich von seinem Platz aus darbot. Perfekt und ausgewogen wie der erste Schluck grünen Tees.
»Zeit des Aufbruchs«, sagte er feierlich. Der Besucher zu seiner Rechten verbeugte sich leicht und schwieg respektvoll. »Ein gutes Zeichen für unsere Geschäfte.« Er nippte von seinem Wasser, dann wandte er sich an den Besucher: »Haben Sie von Australien gehört?«
»Nur sehr wenig, Nakamura-san. Es geht um Uran?«
»Man hat reiche neue Vorkommen von Uran und seltenen Erden entdeckt. Wie es aussieht, kann Saitous Mine in Australien mindestens auf die doppelte Kapazität ausgebaut werden.«
»Die Aktie wird aufblühen«, schmunzelte der Besucher mit einem Blick auf den Garten. Nakamura lachte laut auf.
»Und wir mit ihr. Es wird Zeit, dass
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