Die Propeller-Insel
vorkommenden andern, die ganz regellos unter dem Laubwerk verstreut liegen, sind aus Bambusstangen hergestellt und nur mit Matten gleichsam tapeziert, was sie reinlich, lustig und angenehm macht.
Doch die Eingebornen?…
»Die Eingebornen? wiederholt Frascolin. Solche, wie Ihr meint, giebt es hier ebensowenig wie auf den Sandwichinseln. Von jenen wackern Wilden, die vor dem Kampfe mit Vergnügen ein menschliches Cotelett verzehrten und ihrem Häuptling die Augen eines besiegten Kriegers aufhoben, der nach dem Recept der tahitischen Küche verzehrt worden war… solche Wilde giebt es leider nicht mehr!
– Was? In ganz Oceanien fänden sich keine Cannibalen mehr? Und wir hätten tausende und abertausende von Meilen gemacht, ohne einem einzigen zu begegnen?
– Nur Geduld, antwortet der Violoncellist, der mit der Hand in der Luft herumfuchtelt, wie Rodin in den »Geheimnissen von Paris«. Wir treffen vielleicht noch mehr, als zur Befriedigung unsrer thörichten Laune nothwendig sind.«
Er wußte freilich nicht, wie richtig er hiermit prophezeite!
Die Tahitier sind höchst wahrscheinlich malayischen Ursprungs und entstammen der Rasse der Maoris. Raiatea, die heilige Insel, dürfte die Wiege ihrer Könige gewesen sein – eine reizende Wiege, die sich in der Gruppe der Inseln Unter dem Wind im klaren Wasser des Stillen Oceans badet.
Vor der Hierherkunft der Missionäre zerfiel die tahitische Bevölkerung in drei Classen: die der Fürsten, der bevorzugten Persönlichkeiten, denen man die Gabe, Wunder zu verrichten, zutraute; ferner die der Häuptlinge oder Bodeneigenthümer, die aber schon wenig beachtet und den Fürsten unterthänig waren, und endlich das gemeine Volk, das keinen Grund und Boden besaß oder, wenn das der Fall war, doch nichts als den Nießbrauch seines Landes hatte.
Alles das hat sich seit und nach der Eroberung unter dem Einfluß der anglicanischen und katholischen Missionäre verändert. Unverändert ist dagegen die Intelligenz der Eingebornen geblieben, ihre lebhafte Sprechweise, ihr heitrer Sinn, ihr anerkennungswerther Muth und die Schönheit ihrer Erscheinung. Die Pariser fanden reiche Gelegenheit, letztere in der Stadt und auf dem Lande zu bewundern.
»Sapperment, sind das hübsche Männer! sagte der Eine.
– Und vorzüglich hübsche Mädchen!« ergänzte der Andre.
Ja, die meist über mittelgroßen Männer mit ihrem bräunlichen Teint, durch den das Blut zu schimmern scheint, haben so tadellose Formen, wie sie die antiken Statuen zeigen, und einen sanften Gesichtsausdruck. Dabei sind sie stolz, diese Maoris mit den großen lebhaften Augen und etwas starken, aber seingeschnittnen Lippen.
Die Kriegstätowirungen sind jetzt, bei der mangelnden Gelegenheit dazu, stark in Abnahme.
Die begüterten Leute auf der Insel kleiden sich in europäischer Weise und sehen in weit ausgeschnittnem Oberhemd, der hellrosafarbnen Jacke und dem auf die Stiefeln herabfallenden Beinkleid recht gut aus, erregen damit die Aufmerksamkeit des Quartetts aber nicht in besonderm Maße. Nein, der modern geschnittnen Hofe ziehen unsre Touristen bei weitem den Pareo, den hellen und streifigen Baumwollenstoff vor, der malerisch von den Hüften bis zu den Knöcheln herabhängt, und dem hohen oder gar dem Panamahute, die beiden Geschlechtern gemeinsame Kopfbedeckung, den Hei, der mit Blättern und Blüten durchflochten ist.
Die Frauen sind noch immer die poetischen und graziösen Otahitierinnen Bougainville’s, ob sich nun die weißen Blütenblätter der Tiare, einer Art Gardenie, unter ihre bis über die Schultern herabhängenden schwarzen Flechten mischen, ob sie den Kopf mit dem leichten Hütchen bedeckt tragen, das aus der Epidermis von Cocossprossen angefertigt ist, und dessen schöner Name »Revareva von einem Traum (französisch
rève
) abgeleitet erscheint,« sagte Yvernes. Fügt man zu dem Reize dieser Tracht, deren Farben sich wie die des Kaleidoskops bei jeder Bewegung verändern, noch die Zierlichkeit ihres Auftretens, die Zwanglosigkeit ihrer Haltung, die Sanftheit des Lächelns, die Schärfe des Blicks und den harmonischen Wohllaut der Stimme hinzu, so wird jeder verstehen, warum, als der Eine rief: »Sapperment, welche hübschen Männer!« die Andern antworteten: »Was für hübsche Mädchen!«
Wenn der Schöpfer aber so reizend ausgestattete Wesen erstehen ließ, sollte er ihnen da nicht auch eine ihnen würdige Umgebung geschenkt haben? Gewiß, denn man kann sich gar nichts Anziehenderes denken, als
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