Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
weit und breit.«
    Clementias Augen weiteten sich. »Wo ist sie?«, rief sie. »Ich muss sofort zu ihr.«
    Sie lief die Treppe hinauf, Josch ihr hinterher. Eva, nur mit einem Hemd bekleidet, das ihr riesiger Bauch fast zu sprengen drohte, lehnte mit der Stirn erschöpft am Pfosten der Bettstatt, während eine ältere Frau ihr sanft den Rücken massierte.
    »Es sitzt leider falsch herum«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln, als sie die Schwester erkannt hatte, »und muss ungewöhnlich groß sein. Nicht einmal ich hätte es vermutlich von außen wenden können. Aber wieso seid Ihr …« Die nächste Wehe hatte sie erfasst, sie beugte sich nach vorn, biss sich auf die Lippen, schließlich aber schrie sie doch.
    »Weshalb gebiert deine Frau nicht im Bett wie jedes anständige Christenweib?«, wandte die Nonne sich empört an Josch.
    »Weil es in anderen Stellungen meist sehr viel einfacher ist«, japste Eva, die inzwischen wieder etwas mehr Luft bekam. »Seht Ihr den dicken Kälberstrick, der von der Decke baumelt? Den hat Josch eigens für mich festgemacht, damit ich mich später dranhängen kann, wenn es noch schlimmer kommt.« Sie wischte sich das schweißnasse Haar aus der Stirn. »Was wollt Ihr überhaupt hier, mitten in der Nacht, Schwester? Ist bei Euch auf dem Berg ein Unglück geschehen?«
    »Und wenn schon! Du kannst uns ja ohnehin nicht helfen«, sagte Clementia. »Obwohl wir deine Hilfe gerade
heute dringend gebraucht hätten.« Sie klang so verzagt, dass Eva trotz ihrer Erschöpfung aufhorchte.
    »Lass uns kurz allein!«, sagte sie zu Josch, der sich nur zögernd entfernte und die ebenfalls nur widerwillig weichende Nachbarin mit sich zog. Sie nickte Clementia zu, als die beiden draußen waren. »Also? Und kommt schnell zum Wesentlichen! Ich spür die nächste Wehe nämlich schon.«
    Clementia suchte nach Worten. Ihre Züge wirkten verzerrt, so sehr strengte sie sich an.
    »Doch nicht eine von Euch Nonnen?«, fragte Eva, als Clementia weiterhin stumm blieb. »Eine heimliche Geburt im Kloster …«
    »Nein, nein! Eine Fremde hat bei uns Zuflucht gesucht. Eine schwangere Fremde von weit her. Sie hat …« Die Schwester schien es kaum über die Lippen zu bekommen. Dann nahm sie einen erneuten Anlauf: »Sie hat offenbar heimlich Sadebaumspitzen gegessen.«
    »Aih!« Der neuerliche Schmerz trieb Eva das Wasser in die Augen. »Das tun nur die Verzweifeltsten. In welchem Monat ist sie?«, sagte sie keuchend.
    »Man sieht noch nicht besonders viel, aber bewegt haben soll sich das Kind schon.«
    »Das wird es jetzt sicherlich nicht mehr können, das arme, unschuldige Ding! Der Sündenbaum tötet die Frucht im Mutterleib. Von diesem Teufelszeug ist jedes bisschen zu viel.« Sie legte die Hände auf ihren Bauch, als wolle sie ihn instinktiv schützen. »Sie muss das Kind gebären, habt Ihr mich verstanden, Schwester Clementia? Um jeden Preis, sonst stirbt auch sie, denn wenn es drinbleibt, beginnt es in ihrem Leib zu verwesen. Aber so eine Geburt kann schwierig werden, wenn das Kind nicht mehr lebt.« Der Atem wurde ihr erneut knapp.
    »Kann man ihr dabei nicht helfen?«

    »Mein Kreuz fühlt sich schon jetzt an, als würde es im nächsten Augenblick zerbrechen«, sagte Eva stöhnend. »Dabei geht es vielleicht noch Stunden so weiter, wenn ich Pech habe. Ja, das kann man. Aber die Priester sehen es nicht sonderlich gern.«
    »Wenn du etwas weißt, dann musst du es uns sagen!«, bat Clementia. »Die Lage ist auch so schon verworren genug. Und sollte über diese unselige Angelegenheit etwas nach außen dringen, sind wir verloren.«
    »Von mir erfährt niemand ein Wort. Den Nachbarinnen werde ich eine gute Ausrede auftischen. Und dass Josch den Mund halten kann, wisst Ihr. Dort drüben - die niedrige Truhe. Öffnet sie und nehmt die erste Lage mit den Kräutern heraus, aber bitte vorsichtig!«
    Die Nonne gehorchte, legte das Leinen mit den getrockneten Büscheln des Frauenmantels beiseite. Dann schien sie plötzlich zu stutzen.
    »Das ist ja eine Alraune!«, rief sie. »Woher in aller Welt …«
    »Vergesst auf der Stelle, was Ihr gesehen habt, sonst vergesse ich augenblicklich alles, was ich jemals gewusst habe!«
    Clementia nickte klamm.
    »Dann weiter unten, das kleine rote Kästchen«, kommandierte Eva mühsam. »Mein kostbarster Schatz. Habt Ihr es gefunden?«
    »Ja. Hier ist es.«
    »Gut. Darin liegt die Kornmutter. Nehmt eines von den schwarzen Hörnchen und ein zweites als Reserve - und nur als Reserve, habt

Weitere Kostenlose Bücher