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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Decke hin und her fuhren, als versuchten sie, etwas wegzuwischen.
    »Vergib mir, Herr!«, betete die Magistra. »Ich bin kein Priester, der das heilige Sakrament spenden dürfte, sondern nur Deine unwürdige Dienerin. Doch Bruder Volmar ist fort, und das Leid dieser Frau rührt meine Seele zutiefst. Hilf ihr in Deinem unendlichen Erbarmen und steh ihr bei in dieser schweren Stunde. Amen.«
    Adas Gesicht hatte sich verändert, wirkte friedlicher nun, doch die Haut war so blass geworden, dass sie fast bläulich schimmerte. Das Luftholen gelang nur noch schnappend. Ab und zu ein Rasseln, dann immer längere Pausen zwischen den einzelnen, mühsamen Atemzügen. Als Hildegard Adas Stirn sanft berührte, schien diese es kaum noch zu spüren. Es war, als sei mit der Beichte auch das Leben aus der Reichsgräfin gewichen.
    Benigna und Hedwig lugten durch die Tür. Die Magistra bedeutete ihnen mit einem Nicken, wieder zu gehen. Ada von Ortenburg brauchte keine fiebersenkenden Mittel mehr. Ihre Seele hatte sich bereits auf den Weg zum allmächtigen Schöpfer begeben.

    Die Beisetzung fand bei Tagesanbruch statt.
    Ein schlichtes weißes Bahrtuch, in das man den Leichnam gewickelt hatte. In den Arm der toten Mutter hatte man das Kind gebettet. Josch hob nach Anweisungen Hildegards das Grab an einer speziellen Stelle aus, eine Entscheidung, die für ihn wieder einmal die ganze Umsicht und Klugheit der Magistra bewies: Nun ruhte der Kopf der Toten in geweihter Erde, während ihr Leib jenseits der Grenze des kleinen Friedhofs neben der alten Rupertskapelle lag.
    Volmar, zurück vom Kloster Disibodenberg, sprach am Grab die letzten Gebete. »Vom Staub bist du genommen, zu Staub kehrst du zurück …«
    Theresa mochte nicht hinschauen, weder in das dunkle, feuchte Loch, in das sie ihre Mutter und den Kleinen nun senkten, noch in Geros aschfahles, tränenüberströmtes Gesicht.
    »Erde zu Erde, Asche zu Asche …«
    Wieso war der Mönch nicht endlich still? Die beiden waren doch so viel mehr als das gewesen! Wie konnte der Himmel jetzt so klar sein? Und weshalb konnte an solch einem Tag das Rotkehlchen auf einem nackten Ast über ihnen fröhlich zu zwitschern beginnen? Der winzige Vogel steigerte sein Singen zu einem trillernden Tremolo. Er ist bereits aus dem Süden zurück, dachte Theresa unwillkürlich. Der Frühling ist nicht mehr aufzuhalten. Ein Frühling, den Mutter nicht mehr erleben wird.
    Kurz darauf sah sie ein zweites Rotkehlchen, das herbeiflog und sich neben dem anderen niederließ. Feurige Jubeltöne schmetterten die beiden, als würde die gegenseitige Nähe sie nur noch weiter anstacheln.
    »Herr, was ist der Mensch, dass du dich um ihn kümmerst?«, hörte Theresa den Mönch beten, der ihr geradezu
unanständig lebendig vorkam mit seinen breiten Schultern und den starken Armen, viel zu muskulös, um lediglich Gebetbücher zu halten. »Der Mensch gleicht einem Hauch, und seine Tage sind wie flüchtige Schatten …«
    Sie war erleichtert, als sie von Schwester Hedwig endlich die kleine Schaufel in die Hand gedrückt bekam. Doch als dann Brocken dunkler Erde auf das helle Tuch klatschten, wäre sie am liebsten nachgesprungen, um die beiden Toten wieder nach oben zu holen. Weshalb bestreute man sie nicht lieber mit bunten Blüten, um ihnen zu zeigen, dass sie noch immer mit den Lebenden verbunden waren? Blüten - jetzt im Februar? Vielleicht war sie bereits dabei, den Verstand zu verlieren, und merkte es nicht einmal.
    Unwillkürlich drehte Theresa sich um. Die Kutten der frommen Schwestern bewegten sich im Wind. Einige von ihnen arbeiteten im Weingarten, wie sie zu ihrer Überraschung festgestellt hatte. Die anderen aber kamen ihr in ihrem Habit wie eine Schar schwarzer Krähen vor, obwohl sie doch gerade noch fast engelsgleich gesungen hatten. Nicht zum ersten Mal erschrak Theresa über ihre eigenen Gedanken, und ihr Blick suchte unwillkürlich den der Magistra. Angst hatte sie vor dieser strengen Frau, und gleichzeitig sehnte sie sich nach ihrer Nähe. Inzwischen schien Hildegard die Abfuhr zu bereuen, die sie ihnen zunächst erteilt hatte, und sie hatte offenbar die anderen Schwestern angewiesen, sich um die Geschwister zu kümmern. Doch die Erste des Konvents stand ein ganzes Stück entfernt, gebeugt wie unter einer schweren Last, und schien blicklos auf den Boden zu starren.
    Halb benommen von all ihren widersprüchlichen Gefühlen, trabte Theresa schließlich hinter den Schwestern zurück ins Kloster, während Josch

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