Die Prophetin vom Rhein
Ritter sein - alles andere ist mir egal!«
»Mehr, als du denkst«, erwiderte Freimut. »Diese aufsässigen Mainzer werden sich nicht freiwillig fügen, wahrscheinlich ist mit Gegenwehr zu rechnen. Deshalb hat der Erzbischof die anwesenden Fürsten um Hilfe gebeten, und Herzog Heinrich erklärte sich bereit, sie ihm zu gewähren, falls es sich als notwendig erweisen sollte.« Seine Hand
fuhr zum Schwert. »Seine besten Männer wird er ihm schicken, hat der Herzog versprochen. Und jetzt rate einmal, wer damit gemeint sein könnte!«
»Ich hoffe nur, dort gibt es keine unwegsamen Wälder«, seufzte Gero. »Und vor allem keine Salzfuhrwerke, die dringend auf eine neue Route gebracht werden müssen!«
»Die Sache in Bayern ist doch gut ausgegangen, sonst wären wir nicht hier! Der Bischof von Freising und der Herzog haben sich inzwischen geeinigt, dafür hat der Kaiser gesorgt. Jetzt teilen sie sich die Einnahmen der Salzbrücke, jedenfalls so lange, bis erneut Streit darüber ausbricht.«
Arnold hielt die Weihnachtsmette, doch trotz der zahlreichen Kerzen, die die Dunkelheit erhellten, und seiner warmen, aufmunternden Worte wollte die rechte Stimmung sich nicht einstellen. Gero kämpfte seit der letzten Nacht mit einem Grimmen in seinen Eingeweiden, das immer schlimmer wurde.
Je näher die Schwertleite rückte, desto elender fühlte er sich.
»Ein Dämon ist mir in den Bauch gekrochen«, murmelte er, als er sich zum aberdutzendsten Mal übergab und zur Latrine schleppte, wo er zahlreiche andere Leidensgenossen vorfand, denen es kaum besser ging. »Und sticht mich dort mit tausend glühenden Nadeln. Aber übermorgen werde ich zum Ritter geschlagen - und wenn es das Letzte ist, das ich erlebe!«
Freimut verbarg seine Besorgnis vor ihm, traf aber heimlich einige Abmachungen mit dem Herzog. Heinrich zeigte sich damit einverstanden, dem ohnehin Geschwächten das Fasten, ein reinigendes Bad in der Quelle und die sonst stets verlangte Nachtwache vor dem Kreuz zu erlassen.
»Wird er denn durchkommen?«, fragte Heinrich. »Ihr kümmert Euch doch um ihn!«
»Das wird er, Sire, denn er ist kräftig und zäh«, erwiderte Freimut. »Gero ist mir inzwischen beinahe so nah wie mein jüngerer Bruder, den ich vor Jahren verloren habe. Oder wie der Sohn, den ich niemals hatte.«
Der Herzog schenkte ihm einen seltsamen Blick.
»Um ein Weib zu freien und einen Sohn zu zeugen, habt Ihr noch genügend Zeit«, sagte er. »Macht Euch daran, sobald wir alle das hier dank Gottes unendlicher Güte lebend überstanden haben.« Er beugte sich erneut über seine Pergamente.
Der Stephanstag brach kalt, aber trocken an. Nebel hing zwar zäh im Westen, im Osten aber ging eine blasse Wintersonne auf. Gero war inzwischen so geschwächt, dass Freimut ihm beim Ankleiden helfen musste.
»Hatte ich mir anders vorgestellt«, murmelte er, während Freimut ihm wie einem hilflosen Kind schwarze Beinlinge überstreifte, deren Farbe den Tod symbolisierte, mit dem ein Ritter stets rechnen sollte. Der gefütterte Gambeson war rot und stand für das Blut, das um der gerechten Sache willen zu vergießen er bereit sein musste, ein schneeweißer Gürtel für die Reinheit des Körpers. Gero schnupperte an sich und verzog angewidert das Gesicht. »Bah! Ich stinke, als hätte jemand mich aus dem Schweinekoben gezogen. So kann ich doch nicht vor den Herzog treten.«
»Er soll dich ja auch nicht küssen, sondern zum Ritter schlagen.« Freimut legte Gero die Sporen an, übergab ihm den Waffengürtel und das Schwert, das er ab jetzt tragen durfte. Danach versetzte er ihm einen aufmunternden Stoß. »Und das hier ist mein Geschenk für deinen besonderen Tag.«
Der Helm war fein ziseliert und passte vorzüglich. Gero wandte sich rasch ab, so feucht waren seine Augen auf einmal geworden.
Freimut musste ihn eher zum Kirchenzelt schleppen, als dass er ihn hätte führen können. Drinnen wartete bereits Aldo von Hartenberg, der ebenfalls zum Ritter geschlagen werden sollte, und rückte mit gerümpfter Nase demonstrativ ein ganzes Stück zur Seite, als Gero sich neben ihn quälte.
»Wird es denn gehen?«, fragte der Herzog besorgt. »Du siehst zum Fürchten aus!«
»Natürlich, Sire«, murmelte Gero mit zusammengebissenen Zähnen. »Sterben werde ich garantiert erst danach, das gelobe ich Euch.«
Heinrich verschwendete keine Zeit. Er ließ den jungen Mann mit der grünlichen Gesichtsfarbe kurz niederknien, was diesem nur mühsam gelang, und versetzte ihm dann mit
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