Die Prophetin vom Rhein
der flachen Schwertseite einen leichten Schlag auf den Rücken.
»Zu Ehren des allmächtigen Gottes schlage ich dich zum Ritter und nehme dich hiermit auf in die Gesellschaft der christlichen Streiter«, sagte er mit lauter Stimme. »Und jetzt sofort zurück ins Zelt!«, setzte er leiser hinzu. »Dass du das Zeug dazu hast, hast du bereits unter Beweis gestellt. Jetzt musst du vor allem wieder gesund werden. Also beeil dich gefälligst!«
»Aber mein Eid!« Gero hatte die Augen weit aufgerissen. Seine Lippen zitterten. Die Stirn war schweißnass. »Ohne Eid ist es doch gar nicht richtig.«
»Der ist für heute entschieden zu lang. Das hältst du niemals durch. Warte!« Der Herzog schien zu überlegen. Dann erhellte ein Lächeln seine Züge. »Da gibt es noch etwas Kürzeres aus alten Zeiten. Sprich mir nach: ›Zu Gottes und Mariä Ehr - diesen Schlag und dann keinen mehr.‹«
Gero gehorchte, danach sank er kraftlos zusammen.
»Kümmert Euch um den jungen Ritter!«, befahl der Herzog Freimut. »Er soll alles haben, was er braucht. Ich wünschte nur, wir hätten mehr von seinem Schlag.«
MAINZ - WINTER 1160
Bloß kein Aufsehen erregen!, hatte Adrian van Gent allen eingeschärft, und die ganze Mainzer Gemeinde duckte sich gehorsam unter seinem Befehl. Die monatlichen Beichten wurden ausgesetzt, es gab keine Brotsegnung mehr; wenn gute Christen sich nun auf der Straße begegneten, wandten sie rasch den Kopf zur Seite, als seien sie einander fremd. Seit den Unruhen im Herbst hatte die geforderte Schutzsumme sich nahezu verfünffacht, ein stattlicher Betrag, der nur mit großer Mühe aufzubringen war, obwohl etliche Reiche für die weniger Wohlhabenden einsprangen.
»Ihr hungert uns regelrecht aus«, hatte Adrian sich bei Dudo beklagt, der darauf bestand, dass der Flame ihm das Verlangte persönlich in der Bischofspfalz ablieferte, die er seit Arnolds erneuter Abreise nach Italien schon ganz als seine eigene Residenz zu betrachten schien. »Seht Euch vor, Kanonikus: Einem nackten Mann kann man nichts mehr aus der Tasche ziehen.«
»Bis auf das Leben«, hatte dessen kühle Abfuhr gelautet. »Unser wertvollstes Gut. Und genau das riskiert Ihr, van Gent, und das all Eurer Leute mit dazu, wenn Ihr nicht reibungslos mit mir zusammenarbeitet. Wie lange ich Euch allerdings noch halten kann, weiß der Ewige allein. Jetzt, wo es auf einmal zwei gewählte Päpste gibt. Vielleicht bringt ja das Konzil zu Pavia in wenigen Wochen
eine Klärung, vielleicht schreibt es aber auch vor, alle Ketzer auf der Stelle zu töten.« Er verzog die schmalen Lippen. »Dann könnte nicht einmal ich Euch mehr helfen.«
Theresa wusste von dieser Unterhaltung, weil Willem sie auf ihre Nachfragen hin widerwillig eingeweiht hatte. Zu ihrem Erstaunen schien sein Zwist mit Adrian plötzlich beendet; in Zeiten der Not müssten eben alle näher zusammenrücken, so hatte er sich ausgedrückt.
»Lass uns zusammen fortgehen, Willem, und anderswo unser Glück suchen!« Unzählige Male hatte sie ihn schon darum gebeten, er aber fand immer wieder neue Argumente, warum dies gerade jetzt besonders ungünstig sei.
An Lichtmess hatte Theresa endgültig genug.
Im Kloster auf dem Rupertsberg war dieser Tag in weißen Festgewändern und einem wahren Lichtermeer begangen worden. Aber weil die guten Christen die Leiblichkeit Jesu leugneten und damit auch die Reinigung Mariä im Tempel, gab es im Haus am Brand weder geweihte Kerzen, noch war der sonst übliche Kirchgang erlaubt, um sich den Blasiussegen abzuholen, der vor allem Kranken und Menschen in Bedrängnis helfen sollte.
Plötzlich fühlte Theresa sich wie in einem Gefängnis. Die Wände schienen immer näher zu rücken. All die vielen ungesagten Worte hingen drückend über ihr wie durchgebogene Balken. Sie griff nach ihrem Umhang und lief hinaus. Draußen sog sie die scharfe Luft tief in die Lunge. Die Kälte, die rasch durch die Kleidung drang, machte sie mit einem Mal lebendig. Schlagartig war auch die seltsame Übelkeit verflogen, die sie seit Neuestem plagte.
Meline schien sich zu freuen, als Theresa an ihre Tür klopfte.
»Du brauchst Unterstützung?«, sagte sie statt einer Begrüßung. »Dann herein mit dir!«
»Ich muss einfach mal wieder vertraute Gesichter sehen!«, sagte Theresa. »Wie geht es der Muhme?«
»Überzeug dich selbst!«
In der Kammer fand sie am Bett von Melines Mutter ein pausbäckiges Mädchen vor, das gerade dabei war, die Alte zu füttern.
»Die neue Lehrmagd«,
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