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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Verstand bringt. Bald könnte alles noch schwieriger werden. Hinter den Mauern der Bischofspfalz scheinen sie etwas gegen die guten Christen auszubrüten. Nachdem die Magistra in unsere Versammlung geplatzt ist, hat mich ohnehin monatelang der Albtraum geplagt, sie würden uns alle bei der nächsten Gelegenheit ins Loch werfen. Ich hoffe nicht, dass er sich jetzt bewahrheitet!«

    »Wie kannst du dabei nur so ruhig bleiben?«, rief Meline. »Du musst die Stadt verlassen, solange es noch geht! Was hält dich bei diesen Menschen, Theresa? Du glaubst doch nicht einmal, was sie glauben.«
    Theresa ließ die Schultern sinken. »Ich gehöre zu Willem. Wir haben Hochzeit gefeiert, auf unsere Weise. Allein das zählt.«
    Meline berührte sie an der Schulter, als müsse sie ihr noch etwas Wichtiges sagen, schloss dann aber unverrichteter Dinge den Mund. Sie stand auf, ging wieder zum Herd und begann in einem Topf zu rühren. Nach einer Weile kehrte sie an den Tisch zurück.
    »Das ist dein letztes Wort?« Ihre Lippen zitterten. »Ich muss das wissen!«
    Theresa nickte, auf einmal noch bleicher als bisher. »Ja«, sagte sie. »Das ist mein Weg. Wenn ich nur diese scheußliche Übelkeit endlich los wäre, die mich ganz kraftlos und benommen macht. Kurz nach Weihnachten hat es angefangen. Und auch jetzt gerade wieder kommt mir alles hoch …«
    »Du willst, dass ich dir helfe?« Meline ließ sie nicht ausreden. »Jetzt gleich?«
    »Wenn du kannst - ja.«
    »Die Muhme wird bald schlafen. Geh doch noch einmal zu ihr und wünsch ihr gute Nacht! Ich rühr dir inzwischen das Richtige zusammen.«
    Das Gebräu, das Theresa schließlich trinken musste, war so bitter, dass sie es kaum hinunterbrachte, doch Meline ruhte nicht eher, bis sie zwei Becher davon geleert hatte.
    »Und jetzt auf dem schnellsten Weg nach Hause!«, befahl die Wehmutter. »Ohne irgendwo sonst noch herumzustromern, verstanden?«
    »Mir wird gerade noch viel übler«, sagte Theresa matt. »Hast du mir etwa Gift eingeflößt?«

    »Versuch, es auf jeden Fall bei dir zu behalten! Bald wirst du alles hinter dir haben, vertrau mir!« Sie kramte zwischen ihren Gewandfalten. »Hier. Für alle Fälle. Wenn du keine Wirkung spürst, brühst du dir das im Beutel morgen mit heißem Wasser auf, lässt es ein Ave Maria lang ziehen, seihst es ab und trinkst davon noch einmal zwei Becher.«
    Theresa bekam ein Säckchen in die Hand gedrückt. Dann schob Meline sie beherzt ins Freie.
    Zurück im Haus am Brand, wollte Theresa nur noch allein sein. In ihr war solch eine Unruhe, dass sie schon fürchtete, nicht einschlafen zu können. Ihr Bauch war hart, der Kopf wie taub. Sie floh regelrecht ins Bett, schloss die Augen und hoffte auf Erlösung.
    Doch plötzlich waren da lauter Stimmen, hell und klagend, die sie aufweckten. Theresa riss die Augen auf. Die Mauern waren verschwunden, es war helllichter Tag, und sie stand auf einmal da, wo sie niemals hatte sein wollen: auf dem »Friedhof der verlorenen Kinder«. Der Acker sah aus, als hätte ein grober Pflug ihn aufgerissen. Kein Stein lag noch an seinem Platz. Leinenfetzen flatterten im Wind, Leinen, in das eingewickelt gewesen war, was doch niemals das Licht des Tages hätte erblicken dürfen. Die Fetzen flogen zu ihr, von unsichtbarer Hand bewegt, legten sich auf ihren Kopf, um ihren Hals, bis sie keine Luft mehr bekam. Sie wollte schreien und weglaufen, doch sie konnte kein Glied bewegen, und ihr Mund blieb stumm …
     
    Mit einem Schrei schoss Theresa hoch, und dann begriff sie allmählich. Es war ein böser Traum gewesen, der sie gequält hatte. Aber auch im Zustand des Wachseins ging es ihr alles andere als gut. In ihrem Bauch wühlte ein dumpfer Schmerz, der sich verstärkte. Als sie ihre Schenkel berührte, fasste sie in Blut. Sie lag in einer regelrechten Lache.

    So viel klumpiges Blut - woher kam es?
    Sie schüttelte den Kopf, als die Wahrheit sich in ihr Gehirn fraß, langsam und unbarmherzig wie eine eiserne Winde, die weiter und weiter gedreht wird. Das plötzliche Aussetzen des Mondflusses - sie hatte es dem kargen Essen zugeschrieben oder der ständigen Angst, die über ihnen schwebte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie es gar nicht richtig wahrhaben wollen. Dabei hätte sie allen Grund zum Grübeln gehabt. Willem und sie waren unvorsichtig gewesen, mehr als einmal. Daher diese Übelkeit, die sie nicht hatte zuordnen können und wollen.
    Die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Was um Himmels willen hatte Meline ihr da

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