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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Es ist nur, weil du mir geholfen hast, ohne zu fragen. Die jüdische Hebamme hatte sich nämlich geweigert zu kommen. Was hätte ich allein nur tun sollen?«
    »Weil ihr heute Sabbat feiert?« Auch nach den mehr als zwei Jahren, die sie nun schon in Trier lebten, verstand Theresa noch immer viele der komplizierten Vorschriften nicht, an die ihre jüdischen Nachbarn durch ihre Religion gebunden waren.
    »Einer Jüdin hätte sie auch am Sabbat beim Gebären beistehen müssen, weil der Schutz des Lebens das höchste Gut ist. Aber für mich gilt das nicht. Weil ich nämlich … keine Jüdin bin. Aber ich liebe meinen Simon von ganzem Herzen, auch wenn ich ihn niemals heiraten kann.«
    »Du bist keine Jüdin?«, wiederholte die Wehmutter verwundert. »Und auch nicht Simons Ehefrau?«

    »Willst du die ganze Geschichte hören?«, kam es schwach vom Wochenbett.
    »Morgen«, entschied Theresa. »Wenn ich wiederkomme, um die Zwillinge und dich zu versorgen. Jetzt aber wollen wir Simon und Joshua nicht länger warten lassen!«
    Sie hatte nicht weit zu gehen, um das schmale Haus zu erreichen, in dem sie hier lebten. Hinaus durch die Judenpforte, dann weiter um die beiden nächsten Ecken, bis sie in der schattigen Brotgasse angelangt war, wo die Gebäude sich so dicht gegenüberstanden, dass selbst im Hochsommer kaum Sonne einfiel. Anfangs hatte Theresa sich daran gestört, doch im Lauf der Zeit dachte sie nicht mehr daran. Der Name der Gasse hatte ihr gleich gefallen, denn er klang nach Leben und Nahrung, vielleicht sogar nach Hoffnung, die wie ein zartes Pflänzlein in ihr zu keimen begonnen hatte.
    Heute freilich war dieses Pflänzlein kräftig gebeutelt worden. Sie hatte große Angst um Hanna gehabt, Hanna, die mit einem jüdischen Mann lebte, aber selbst keine Jüdin war - und trotzdem den Mut besessen hatte, Kinder zu bekommen!
    Ob Willem von diesem Geheimnis wusste?
    Wenn ja, dann hatte er ihr gegenüber niemals auch nur die winzigste Andeutung fallen lassen. Dabei war er oft mit Simon ben Jehuda zusammen, dem Einzigen in Trier, der seine neue Walkmühle mit Silber und guten Vorschlägen tatkräftig unterstützt hatte. Durch Zufall war er dem aufgeschlossenen jüdischen Fernhändler begegnet, mit dem er die Leidenschaft für Stoffe teilte, und irgendwann hatte er dann den Mut gefasst, ihm von seinem kühnen Vorhaben zu erzählen.
    Simon hatte die Idee von Anfang an gefallen. Er war es auch gewesen, der Willem ins Mühlenviertel gebracht hatte,
nur ein paar Meilen von Trier entfernt, wo am Ufer des Zewener Bachs einige Wassermühlen in Betrieb waren. Eine davon hatten sie gekauft und nach Willems Plänen zur Walkmühle umbauen lassen.
    Das Geschäft lief gut an. Die Qualität der gewalkten Stoffe übertraf sogar alles, was Willem früher in Mainz hergestellt hatte, und er hoffte inständig, dem Juden so bald wie möglich das Geld, das der ihm vorgestreckt hatte, zurückzahlen zu können. Was freilich bedeutete, dass er seine ganze Kraft der Mühle widmen musste, oft bereits in der Morgendämmerung auf seiner temperamentvollen Maultierstute nach Zewen ritt und erst wieder nach Hause kam, wenn der Mond schon am Himmel stand.
    Heute erwartete Theresa ihn ungeduldiger als sonst. Was, wenn er gar nicht direkt von der Mühle kam, sondern noch einen Abstecher in die Fleischgasse gemacht hatte, wo sich in einer schäbigen Absteige einige Huren einquartiert hatten und dort ihre Freier empfingen? In letzter Zeit war Willem oft so müde und abgeschlagen gewesen, dass ihr dieser Gedanke schon mehr als einmal durch den Kopf gegangen war.
    Unruhig hantierte sie in der Küche, rückte den Suppentopf zurecht, in dem ein kräftiger Eintopf garte, und prüfte, ob das Brot noch weich genug war. Sie hatte das Gericht mit Hühnerfleisch zubereitet, das Willem seit einiger Zeit aß, um Kraft für seine anstrengende Arbeit zu schöpfen, wenngleich es ihm nicht besonders zu schmecken schien. Auch Eier, Milch und Käse mied er nicht länger, obwohl Theresa niemals ganz das Gefühl loswurde, er tue es allein ihretwegen.
    Ob er wirklich mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte? Jedes auch noch so winzige Abrücken von den gestrengen Geboten der guten Christen erwärmte ihr Herz,
jedes fröhliche Lachen auf seinem Gesicht stimmte sie hoffnungsfroh, auch wenn sie beide noch immer kein Priester offiziell getraut hatte. Theresa war entschlossen, damit so lange zu warten, bis Willem auch wirklich innerlich bereit war. Wenigstens gehörten Brotsegnung

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