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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sagte Theresa leise. »Hab ich Euch jetzt so sehr erschreckt?«
    Die Magistra hob die Arme, als wolle sie sie umarmen, und ließ sie unverrichteter Dinge wieder sinken.
    »Du lebst!«, rief sie. »Und bist gesund und munter. Wie froh ich bin, dich so zu sehen!«

    »Ihr zürnt mir nicht?«, sagte Theresa, der die Verblüffung ins Gesicht geschrieben stand. »Ich war fest überzeugt, Ihr würdet mich bis zum Ende aller Tage aus tiefstem Herzen hassen.«
    »Was für ein Unsinn! Ich glaubte dich schon tot oder zumindest in tödlicher Gefahr …« Sie verstummte. »Dein Bruder«, fuhr sie schließlich fort, »Gero, hat er dich also doch gefunden! So rede, Mädchen! Wie hat er dich befreit?«
    »Ihr habt Gero zu mir geschickt?«, rief Theresa. »Ja, er hat mich aus dem Kerker befreit und mir die Flucht ermöglicht. Aber woher wusstet Ihr denn, wo ich war?«
    Die Magistra zuckte die Schultern. »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle!«, rief sie. »Ich bin so erleichtert, dass du Mainz und diese Ketzerbrut verlassen hast. Wie bist du denn nach Trier gekommen?«
    »Die alte Hebamme war gestorben, da bin ich eingesprungen. Willem und ich wollten nämlich …«, begann Theresa, und augenblicklich verschloss sich Hildegards Gesicht.
    »Sag jetzt nicht, dass du noch immer diesem Menschen anhängst, der dich beinahe in den Tod getrieben hätte! Du kannst doch nicht so töricht sein, das Schicksal ein zweites Mal herauszufordern. Nicht immer wird sich ein stattlicher Ritter finden lassen, der dir zu Hilfe eilt.«
    »Aber wir lieben uns. Und wir gehören zusammen - für immer. Willem ist mein Mann …« Theresa verfolgte den Blick der Magistra, der zu ihren Händen geglitten war. »Nein, nein, ich trage noch immer nicht seinen Ring. Kein Priester hat bislang unseren Bund gesegnet, doch vor Gott …«
    »Hüte dich davor, Seinen heiligen Namen leichtsinnig in den Mund zu nehmen!«, rief die Magistra, die bei Theresas
Worten kalkweiß geworden war. »Ich hätte dich für klüger gehalten. Konntest gerade noch um Haaresbreite entkommen und weißt noch immer nicht, wohin du gehörst.«
    »Willem hat sich geändert, das müsst Ihr mir glauben!«, rief Theresa verzweifelt. »Von seinem Onkel will er nichts mehr wissen. Er hat hier eine Mühle umgebaut, in der er einfache, aber gute Stoffe erzeugt.« Sie packte einen Zipfels ihres Umhangs und streckte ihn Hildegard entgegen. »Überzeugt Euch selbst, wie warm und fest der Walkstoff sich anfühlt! Damit kann vielen Menschen Gutes getan werden, besonders jenen, die keine Truhen voller Silber besitzen. Aber es ist nicht einfach für Willem, weil die Vergangenheit ihn immer wieder einzuholen droht.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Wenn Ihr nun vielleicht die guten Christen nicht länger in Euren Predigten verdammen würdet …«
    »Du verlangst von mir, dass ich dieses Ketzerpack schonen soll? Spar dir deine Worte, Mädchen! Wie konnte ich mich so in dir täuschen? Du gehörst ja noch immer zu ihnen!«
    »Nein, das tue ich nicht und hab es auch niemals getan. Allein die Liebe hat mich zu ihnen geführt, mein innigster Wunsch, bei Willem zu sein. Nur seinetwegen flehe ich Euch an. Damit er endlich vergessen und zur Ruhe kommen …«
    Sie brach mitten im Satz ab. Es war hoffnungslos. Gegen diese Mauer aus Ablehnung und Misstrauen kam sie nicht an.
    Die beiden Frauen schauten sich schweigend in die Augen. Plötzlich begannen die Domglocken zu läuten.
    Die Magistra wartete ab, bis das Geläut verklungen war. »Ich weiß nicht, warum ich das tue«, sagte sie dann. »Aber
ich will dir noch einmal Gelegenheit zur Umkehr geben. Ich gehe jetzt in dieses Gotteshaus und predige dort den Menschen. Wenn ich damit fertig bin, erwarte ich dich an der Dompforte. Dann reiten wir gemeinsam zurück nach Bingen, wo Eva dich wieder in ihre Obhut nehmen wird. Bedenke es gut, Theresa! Von meiner Seite wird es kein weiteres Angebot geben.«
    Hildegard konnte nur hoffen, dass ihr Rücken kerzengerade war, als sie sich umwandte und gemessenen Schritts zum Dom ging, denn sie fühlte sich, als habe sie einen großen Sack mit nassem Holz auf den Schultern zu schleppen. Ein wenig half es, dass sie nach wenigen Momenten Volmars schwere Schritte und sein vertrautes Schnaufen hinter sich hörte.
    Erzbischof Hillins feierliches Hochamt streifte sie gleich einem flüchtigen Traumgebilde. Als er ihr schließlich zunickte und sie steifbeinig die Stufen zur Kanzel erklomm, zitterten ihre Knie so heftig, dass

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