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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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kommen?
    Benigna war zu aufgebracht, um gleich darauf zu reagieren. Sie wartete die Terz ab, zu der die Schwestern sich in der Kapelle zur kleinen Hore versammelten, und studierte während des Psalmensingens eingehend die Gesichter der anderen.
    Steckte etwa die dürre Magota dahinter, die sich schnell zurückgesetzt fühlte und auf alles und jeden eifersüchtig war? Die kleine Gunta, die ihr am liebsten auf Schritt und Tritt gefolgt wäre? Clementia, die ihren Rang als Küchenschwester nur allzu gern durch profunde medizinische Kenntnisse aufgewertet hätte, weil sie ohnehin fand, dass ihr als leiblicher Verwandten Hildegards eigentlich ein höherer Rang zustand? Oder war es wieder einmal Hedwig
gewesen, die sich überall einmischte, als habe die Magistra sie damit beauftragt?
    So viel Benigna auch grübelte, sie kam zu keinem Ergebnis. Dann fiel ihr Blick auf das Mädchen, das neben den Schwestern stand, die Schultern unter ihrem schäbigen Umhang nach oben gezogen, den Mund trotzig verschlossen.
    Theresa?
    Die notwendige Größe besaß sie, und anpacken konnte sie auch, das hatte sie in den vergangenen Tagen bereits bewiesen. Doch würde sie es wagen, solch eine Eigenmächtigkeit zu begehen?
    Benigna wollte mit ihr reden, um das herauszufinden. Zuvor aber galt es, die hochwürdige Mutter über diesen unerhörten Vorfall in Kenntnis zu setzen.
    Das freilich musste sie aufschieben, denn gleich nach dem Psalmensingen traf die Delegation des Bischofs im Kloster ein, mit schier ungeheuerlichen Nachrichten, die sich alsbald wie ein Lauffeuer unter den Schwestern verbreiteten.
    König Konrad war tot - in Bamberg dem heimtückischen Sumpffieber erlegen, das er sich auf dem Kreuzzug zugezogen hatte. Jetzt waren alle Großen des Landes unterwegs nach Frankfurt, wo der nächste König gewählt werden sollte. Drei Kandidaten waren aufgestellt: sein Sohn, der minderjährige Friedrich, Herzog Heinrich der Löwe sowie der Staufer Friedrich von Schwaben, der wohl die meisten Fürsprecher auf seine Seite gebracht hatte. Fiel die Wahl auf ihn, wofür etliche Anzeichen sprachen, standen die Zeichen schlecht für den Erzbischof von Mainz, der die Magistra und ihr neues Kloster bislang so tatkräftig unterstützt hatte.
    Beim Essen zur sechsten Stunde im Refektorium fand
das ungewohnt üppige Mahl aus gesottenem Karpfen, Entenbraten und eingelegtem Kraut bei Weitem nicht die Beachtung, die es eigentlich verdient hätte. Auch die Lesung, wiewohl von Magota inbrünstig vorgetragen, schien heute an den Ohren der Schwestern vorbeizurauschen. Aller Augen waren ängstlich auf den Kanonikus Hugo von Bermersheim gerichtet, Hildegards Bruder. Er galt als Vertrauter von Erzbischof Heinrich, der den offenen Zwist mit dem Staufer riskiert hatte, indem er für die Wahl des unmündigen Königssohns eingetreten war, dessen Vormund er war. Käme nun Friedrich von Schwaben an die Macht, so wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der neue König Anstrengungen machen würde, den Widersacher loszuwerden und einen anderen an seine Stelle zu setzen, der seine Ziele unterstützte.
    Doch was würde dann aus dem Kloster Rupertsberg, das seit seiner Gründung um Autonomie rang und noch heute unter der Vormundschaft des Männerklosters vom Disibodenberg stand, das deshalb auch die stattliche Mitgift der frommen Schwestern für sich beanspruchte?
    »Ich kann deine Befürchtungen leider nicht zerstreuen, so gern ich das täte«, sagte Hugo, als er schließlich Clementia losgeworden war, die ihn mit tausenderlei kleinen Anliegen bedrängt hatte, und mit seiner jüngsten Schwester im Äbtissinnenhaus zusammensaß. »Niemand kann sagen, ob ein neuer Erzbischof dein Anliegen in gleicher Weise befürworten würde wie unser geliebter Bischof Heinrich.«
    Hildegard war blass geworden. Erzbischof Heinrich hatte die neue Klostergründung von Anfang an unterstützt. Doch als sie ihn beschworen hatte, ihr Richardis zurückzugeben, waren seine Ohren taub geblieben, weshalb ihre Gefühle ihm gegenüber durchaus zwiespältig waren.
    »Das hieße ja, dass womöglich alle Arbeit umsonst und
jede Mühe vergeblich gewesen wäre!« Sie schlug mit der Hand auf den Tisch und sprang auf. Da war wieder etwas von der alten Wut und Verzweiflung, die jetzt in ihr aufstieg.
    »Möglicherweise ja.« Hugo, so kräftig und groß, wie auch ihr längst verstorbener Vater es gewesen war, während Hildegard die zarte Konstitution der Mutter geerbt hatte, machte keinerlei Anstalten, seine

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