Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Korb fallen. Dann drehte er sich um und rannte los, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, während sie ihm kopfschüttelnd nachstarrte.
    Das Laufen half ihm weiterzuatmen. Wie froh war er, endlich ihrer unerträglichen Nähe entronnen zu sein! Und wenn sie ihm nicht folgte, auch egal. Er hatte seinen Auftrag erledigt. Mehr konnte keiner von ihm verlangen. Zum ersten Mal erschien ihm die sonst so verhasste Werkstatt als eine Art Zuflucht. Er riss die Tür auf, stürmte hinein und hielt verdutzt inne, denn da stand ein Fremder, der so gar nicht zwischen Amboss und Werkbank zu passen schien.
    Thies bleckte seine schiefen Zähne. In all den Wochen hatte Gero ihn niemals so gut gelaunt gesehen.
    »Gero, mein Lehrjunge, geschätzter Notarius«, sagte er und gab dem Jungen einen offenbar freundschaftlich gemeinten Stups, der ihn allerdings fast umgeworfen hätte. »Ab sofort ganz und gar zu Euren Diensten - wie meine ganze Werkstatt.«
    Der Mann hüstelte. Neben dem klobigen Sarwürker wirkte er in seinem edlen nachtblauen Wollmantel noch zierlicher, als er ohnehin war. Rotblondes Haar, das wie
eine Fellkappe eng am Kopf anlag. Ein blasses, dreieckiges Gesicht und ein spitzes, angriffslustiges Kinn.
    Ein Fuchs, dachte Gero unwillkürlich. Ein listiger Fuchs, der im rechten Moment zuschnappen kann.
    »Notarius Dudo«, hörte er den Sarwürker ehrerbietig fortfahren. »Kanonikus in Diensten Seiner Exzellenz, des Erzbischofs von Mainz. Verneig dich, Junge! Du hast allen Grund dazu.«
    »Ja, denn stell dir nur einmal vor, mit welch einem Anliegen der Notarius sich freundlicherweise zu uns bemüht hat!«, rief Laurenz, ebenfalls über das ganze Gesicht strahlend und offenbar schon wieder alles andere als nüchtern. »Ein neuer Ringelpanzer für Erzbischof Heinrich!«
    »Den passenden Gambeson dazu könnte mein Weib schneidern. Aus festem Wollstoff, mit Filz gefüllt und aufgenähten Lederschnallen zum kinderleichten Öffnen. Alles ganz nach Euren Wünschen. Nun, was sagt Ihr dazu?«, rief Thies.
    »Diese bleiche Schwangere, der ich vorhin begegnet bin?« Dudos Stimme war gepresst und unangenehm hoch. »Sie hat den Eindruck erweckt, als sei ihr gerade alles andere als wohl.«
    »Ach, das gibt sich schon wieder. Und das Kind kommt ohnehin erst in einigen Monaten. Bis dahin …«
    »Niemals!«, fiel der Notarius Thies ins Wort. »Das wird selbstredend in Mainz von Meisterhänden erledigt. Seht ihr hier lieber zu, dass bei der vernieteten Brünne die Qualität stimmt und sie vor allem rechtzeitig fertig wird! Dann sollte es auch mit der Bezahlung keine Scherereien geben.«
    Diese wenigen Sätze reichten - und die freudige Stimmung von eben war bereits wieder verflogen.

    Versteckt hinter einem blühenden Goldregenbusch, hatte Theresa jedes Wort mitgehört, das die Magistra mit dem Erzbischof gewechselt hatte. Sie war gerade von Adas Grab gekommen, wo endlich die Kirschblüten aufgebrochen waren, und hatte es nicht über sich gebracht, sofort hinter die dicken Klostermauern zurückzukehren, die den Frühling ausschlossen. Sie hatte nicht lauschen wollen. Und dennoch schon wieder Dinge mit anhören müssen, die sie nicht ganz begriff. Was sich dabei vor allem in ihrem Kopf festsetzte, war der Name Kuno. Kuno, der Abt vom Disibodenberg, der auf den Rupertsberg kommen würde, um seine Ansprüche zu bekräftigen.
    Ob die Nonnen dann das Kloster räumen mussten und sie mit ihnen? Eine Vorstellung, die Theresa leises Unbehagen bereitete, denn sie fing gerade an, sich an das neue Leben zu gewöhnen. Natürlich gab es nach wie vor vieles, was sie hier störte. Die rauen Kleider zum Beispiel. Dass man mitten in der Nacht aufstehen und auf Knien beten musste. Die langen Stunden, während derer Reden verboten war und man sich nur in dieser lächerlichen Zeichensprache verständigen konnte, die sie vermutlich niemals lernen würde. Das Scriptorium, das ihr schlimmer als das Fegefeuer erschien, weil sie dort öffentlich bloßgestellt worden war. Vor allem aber, dass Gero nicht mehr da war. Jetzt hätte sie gern seine täglichen Unverschämtheiten wieder in Kauf genommen, nur um seine Stimme vorlaut neben sich trompeten zu hören.
    Seit sie zusammen mit Benigna im Garten arbeitete, hatte sich einiges verändert. Die Tage wurden länger, die Nächte waren nicht mehr so drückend und schwarz, und das Blühen und Sprießen ringsumher machte auch sie fröhlicher. Die rundliche Infirmarin ließ ihr ohnehin kaum Zeit für trübe Gedanken. Sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher