Die Prophetin vom Rhein
Flandern derart unterwürfig an, dass es ihm peinlich zu sein schien?
»Überzeugt Euch ruhig mit eigenen Augen!« Adrian öffnete eine weitere Lade, und nun ergoss sich ein wahrer Goldregen über den Tisch, Brokatborte, so fein gewebt, dass sie auch für das Gewand einer Königin getaugt hätte.
»Dann hat sie jetzt alles beisammen. Über kurz oder lang bekommt sie immer, was sie will. Und wenn sie dazu krank werden muss, damit die anderen ihren Willen erfüllen.« Magota zeigte ein angespanntes Lächeln. »Falls aber unsereins einmal ein Übel plagt, kann man kein Mitleid von ihr erwarten …«
Er ließ sie nicht ausreden, als sei ihm das Thema zuwider: »Wir sind die besten Stoffhändler weit und breit. Wer uns vertraut, wird niemals enttäuscht.« Seine Züge waren undurchdringlich. »So wird es immer bleiben. Was auch geschieht.«
»Nur der Disibodenberg bereitet ihr weiterhin Schwierigkeiten.« Theresa erntete einen scheelen Blick, und Magota schien plötzlich zu zögern, entschloss sich dann aber schließlich doch zum Weiterreden. »Uns damit leider aber auch, werter Bruder in Gott. Denn schließlich geht es ja auch um meine Mitgift, die damit blockiert ist. Doch Ihr
könnt unbesorgt sein. Ich werde halten, was ich der Kirche der Liebe versprochen habe.«
Was ging hier vor? Das Mädchen fühlte sich immer unbehaglicher. Hinter den scheinbar harmlosen Worten Magotas schwang noch etwas mit, das sich bedrohlich anhörte. Und wieso verriet sie einem Fremden Geheimnisse des Klosters?
Unwillkürlich schaute sie zu Willem, und dieses Mal trafen sich ihre Blicke. Du warst in meinen Träumen, flüsterte sie ihm stumm zu, so lange, bis ich es vor Sehnsucht kaum noch aushalten konnte. Ich darf nicht ständig an dich denken. Nicht, solange ich hinter diesen dicken Klostermauern lebe.
Was er dachte, blieb ihr verborgen, aber es konnte nichts Böses sein, denn er schaute sie offen an, so freundlich und weich, dass die Röte ihr ins Gesicht schoss. Abermals begann Theresa zu schwitzen, dieses Mal aus purer Aufregung.
»Wir können gleich mit dem Abmessen beginnen.« Adrians kühle Stimme holte Theresa in die Gegenwart zurück. »Wenn Ihr wollt, hole ich den Zollstock.«
»Wieso siehst du nicht nach deinem Bruder, Theresa?«, wechselte Magota das Thema. »Solch eine günstige Gelegenheit wirst du so schnell nicht mehr bekommen. Also, lauf schon los!«
Sie will mich loswerden, dachte Theresa und war erleichtert, ihrer peinvollen Verlegenheit entfliehen zu können. Zugleich tat es ihr leid, Willem verlassen zu müssen, aber sie beruhigte sich schnell wieder. Sie würde ja zurückkommen. Vielleicht ergab sich dann eine Gelegenheit, ihn allein zu sprechen.
Draußen schnürte sie als Erstes die Schuhe auf und zog sie aus, um die wunden Fersen nicht noch weiter zu quälen. Dann lief sie barfuß weiter. Schon nach wenigen Schritten
umhüllte sie das Marktgetöse wie eine Wolke aus Lauten und Gerüchen - welch willkommene Unterbrechung nach den stillen Klosterwochen! Theresa wusste zunächst kaum, wohin sie sich als Erstes wenden sollte. Alles erschien ihr gleichermaßen verlockend und einladend: die Gewürzstände, die Fischhändler mit ihrem frischen Fang vom Morgen, die fettigen kleinen Küchlein, die eine dralle Händlerin ausrief, bis sie heiser war, die Kaninchenkäfige mit ihrem pelzigen Inhalt, all die Hühner und Enten, die um ihr Leben gackerten und schnatterten. Auch ein zaundürrer Akrobat war gekommen und zeigte seine Künste. So geschickt jonglierte er mit seinen bunten Reifen, dass Theresa laut applaudierte.
Irgendwann hatte sie sich sattgesehen und -gerochen. Sie lief weiter, vorbei an St. Martin, bis sie am Haus des Sarwürkers angekommen war. Die Tür zur Werkstatt im Erdgeschoss stand angelehnt, und so schlüpfte sie einfach hinein. Ganz hinten an der Werkbank sah sie einen Jungen, der geschickt mit gleich drei verschiedenen Zangen auf einmal hantierte. War dieser blasse, verhärmte Blondschopf, der vor einem viereckigen Gewirke aus Eisen saß, tatsächlich ihr naseweiser Bruder Gero?
Als sie seinen Namen rief, schaute er kurz auf, und für einen Augenblick zeigte sich sein früheres Lausbubengesicht, dann jedoch verschlossen sich seine Züge erneut, als habe sich eine Maske über sein Gesicht gesenkt.
»Hau ab!«, rief er wütend. »Was willst du hier? Du bist schuld daran, dass sie mich aus dem Kloster geworfen haben. Jetzt brauchst du dich auch nicht mehr um mich zu kümmern!«
»Das ist doch gar
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