Die Prophetin vom Rhein
Zuschauer aufjohlen ließ. Sein Kontrahent schien auf die gleiche Idee zu verfallen, griff sich Theresa, die viel zu überrascht war, um sich gleich zu wehren, drückte sie eng an sich und begann, sie überall vulgär zu betatschen.
»Lass mich sofort los!« Sie wand sich vergeblich unter seinem eisernen Griff. »Du stinkst ja wie ein alter Ziegenbock!«
Die Leute grölten vor Vergnügen.
»Du darfst das nicht - denn ich bin schon bald eine Nonne!«, stieß sie wütend hervor.
»Dann solltest du erst recht die Gunst der Stunde nutzen, Goldstück«, schrie ein Dickbauch, den ihre zunehmende Verzweiflung in die rechte Stimmung zu versetzen schien. »Wer weiß, wann du wieder einem echten Kerl unter die Finger kommen wirst!«
Der Angreifer packte umso fester zu und presste nun auch noch seine Lippen auf Theresas Mund. Als sie seine dicke Zunge spürte, die sich dreist einen Weg suchte, überfiel sie Übelkeit. Sie biss so fest zu, wie sie konnte.
Der Kerl ließ von ihr ab und fuhr jaulend zurück, nicht nur weil er ihre spitzen Zähne zu spüren bekommen hatte, sondern auch, weil er von einem kräftigen Blondschopf einen gezielten Schlag in den Rücken erhalten hatte.
»Das wird dich lehren, junge Frauen zu belästigen, die nichts von dir wissen wollen!«, rief der Blonde und schwang angriffslustig seine Fäuste. »Komm her, wenn du dich traust! Zu einem Zweikampf zwischen Mann und Mann bin ich immer bereit.«
Der Maskierte schien zu zögern, machte ein paar unentschlossene Schritte, wurde dann aber vom zweiten Maskenträger am Umhang gepackt und weggezerrt. Der Fiedler folgte ihnen auf den Fersen.
Immer noch heftig atmend, musterte Theresa ihren Retter. Er war groß und hatte hübsche, ein wenig grob gezeichnete Züge, zu denen die braunen Kinderaugen einen reizvollen Kontrast bildeten.
»Geht es wieder?«, fragte er. »Ein Schluck Wein gefällig, um den miesen Gestank dieser Kreatur wegzuspülen?«
Wider Willen musste Theresa lachen.
»So mag ich es.« Sein Grinsen hatte etwas Ansteckendes. »Wenn schöne Mädchen wie du mit der Sonne um die Wette strahlen.«
Jetzt erst bemerkte sie seinen Marktstand. »Du bist Küfer?«, fragte sie, als ihr Blick über all das Holzwerk glitt, das er ausgestellt hatte. Lauter Dinge, die sie auf dem Rupertsberg gut hätten brauchen können.
»Das will ich meinen - Peter, der Küfer, und der Beste seines Handwerks zwischen Bingen und Koblenz!«
Er breitete seine Arme weit aus, eine Geste, die Theresa seltsam vertraut erschien. Aber irgendetwas ließ sie dennoch zurückweichen.
»Wannen, Buttertonnen, Krautfässer, Futterbottiche - und natürlich alle Arten von Weinfässern. Das und noch vieles mehr findest du bei mir.« Er beugte sich zu ihr hinunter. »Hat der Halunke dir wehgetan?«, fragte er leise. »Sei ehrlich!«
Theresa schüttelte den Kopf.
»Dann ist es ja gut! Sonst hätte ich ihm nämlich Hammelbeine gemacht und beigebracht, wie man schöne …«
»Peter, sagst du?«, fiel Theresa ihm ins Wort, die plötzlich begriff, wen sie da vor sich hatte. »Und Küfer bist du? Dann muss Josch dein Onkel sein und die Wehmutter Eva deine …«
»… Tante«, rief er ihr hinterher, da sie einfach losgerannt war, zu einem Markttisch mit Walkwaren, hinter dem ein Mann mit rotbrauner Mähne stand, der ihr verblüfft entgegenstarrte.
Das mit der Geldübergabe fiel Magota noch immer schwer, auch wenn sie es inzwischen schon einige Male widerwillig erledigt hatte. Sei es, dass ihr noch immer die Regeln des heiligen Benedikt im Nacken saßen, nach denen sie so viele Jahre gelebt hatte, sei es, dass sie niemals die Angst ganz verließ, dabei etwas zu verlieren oder falsch zu machen. Schon Tage zuvor überfiel sie starke Übelkeit, die ihr den Magen zuschnürte und die schwarze Galle in ihrem Körper schier überlaufen ließ. Doch wen kümmerte es schon, wenn sie krank war? Adrian van Gent kannte in diesem Punkt wie auch in anderen Dingen kein Erbarmen.
Kaum ein Monat verging, in dem er sie nicht an ihr Versprechen erinnert hätte, dessen Einlösung sie ihm bis heute schuldig geblieben war. In der Kirche der Liebe gab es strenge Hierarchien, denen sich jeder zu unterwerfen hatte, was die ehemalige Nonne ständig zu spüren bekam, und es gab durchaus Augenblicke, in denen sie sich nach ihrem früheren Leben zurücksehnte, das so einfach gewesen war, so klar, so ganz und gar übersichtlich. Jedes Mal,
wenn solche Anwandlungen sie überfielen, biss Magota die Zähne zusammen
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