Die Prophetin vom Rhein
erfüllen, soweit es in seinen Möglichkeiten steht. Das Wichtigste im Leben, hochwürdige Mutter, ist für mich Treue - zu Gott wie zu den Menschen.«
»Das Gleiche gilt für uns«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich spreche hier im Namen aller Schwestern unseres Konvents. Deshalb sind unsere Herzen ja schwer vor Kummer. Wir trauern um Heinrich von Mainz, unseren treuen Freund, der uns sicher durch viele Stürme geleitet hat.«
Der König schien für den Moment genug zu haben. Er ging an ihr vorbei und öffnete eine Tür.
»Ihr müsst mich für einen tumben Tor halten!«, rief er. »Wir reden und reden - und darüber werden noch all die Köstlichkeiten kalt, die unsere Küche für Euch aufgetischt
hat. Lasst uns dem Leib geben, was des Leibes ist, und unsere Unterredung anschließend gestärkt weiterführen!«
Das Gewesene zieht die Gegenwart an, ein ewiges Gesetz. Hildegard wusste nicht, warum ihr ausgerechnet jetzt diese Worte in den Sinn kamen, als sie Friedrich notgedrungen folgte, zu einem Festmahl, auf das ihr jeglicher Appetit vergangen war.
Weil das Wasser in ihren Lederbeuteln ausgetrunken war, hatte der Durst Bruder Volmar und Theresa schließlich in eine Schenke getrieben. Der Raum war niedrig und nicht besonders sauber, aber gut gefüllt, weil die Hitze und das Markttreiben die Leute offenbar ebenso durstig gemacht hatten wie sie.
Die Frau, die ihnen zwei Humpen Bier auf den Tisch stellte, entblößte beim Lächeln eine stark gelichtete Zahnreihe.
»Zum Wohl, frommer Vater!«, rief sie. »Und deine hübsche Enkelin soll auch hochleben!« Dabei kam sie Volmar mit ihren schwammigen Brüsten gefährlich nah. »Darf es vielleicht auch noch etwas von der leckeren Blutwurst sein? Wir haben heute frisch geschlachtet - die Sau ist fast noch lebendig.«
Der Mönch hob abwehrend die Hände. »Wir dürfen nichts essen, was von vierbeinigen Tieren stammt«, sagte er matt, wobei ihm anzusehen war, dass ihm dieser Vorschlag sehr wohl Appetit gemacht hatte. »So lautet nun mal unsere Regel.«
»Ach, dürft ihr nicht? Wo ihr Männer doch die meiste Zeit selbst drei steife Glieder habt! Also, stell dich nicht so
an, frommer Vater! Frische Blutwurst hat schließlich noch keinem geschadet.« Breitbeinig watschelte sie davon.
Vom Nebentisch ertönte schallendes Gelächter. Theresa wusste vor Verlegenheit kaum noch, wohin sie schauen sollte, während Volmar unsicher auf den Tisch starrte.
»Ich lauf mal schnell nach draußen, ja?«, rief sie plötzlich und war, bevor er noch einen Einwand vorbringen konnte, aus der Tür. »Bin gleich wieder zurück.«
Nur ein paar Schritte, dann war sie mitten im Marktgeschehen. Roh gezimmerte Verkaufsstände und überall Menschen. Vieles erinnerte sie an den Markt zu Bingen, und die Erinnerung an jenen Tag, an dem sie Gero zum letzten Mal gesehen hatte, überflutete Theresa ohne Vorwarnung. Allerdings war alles hier kleiner und einfacher, denn Ingelheim war lediglich ein Marktflecken und besaß kein Stadtrecht wie das stolze Bingen, das eine starke Mauer vor Angreifern schützte.
Viele Bauern boten sommerliches Gemüse an, das sie insgeheim sofort mit den Erzeugnissen des Klostergartens verglich, der inzwischen an die dreißig fromme Schwestern nährte. Ein Gefühl von Stolz beschlich Theresa. Ihr Blumenkohl war größer, und ihr Lauch sah um einiges saftiger aus. Benigna und sie mussten sich mit ihrem Nutzgarten auf dem Rupertsberg wahrlich nicht verstecken!
Zufrieden schlenderte sie weiter, vorbei an einigen Krämern, die Bänder und Borten feilhielten, was sie nicht sonderlich zu fesseln wusste. Da zogen laute Geräusche ihre Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur ihr schien es so zu ergehen. Eine ganze Menschenmenge lief neugierig in Richtung der seltsamen Laute.
Zwei Gestalten, die Gesichter mit tönernen Tiermasken bedeckt, die die Mundpartie freiließen, befanden sich in einem merkwürdigen Zweikampf. Die eine schmetterte dabei
wie eine Nachtigall, die andere kreischte pfauengleich, was die Umstehenden zu begeistertem Klatschen und Stampfen veranlasste. Als wäre das noch nicht genug, malträtierte ein dritter Mann dazu seine Fidula, ein altersschwaches Instrument, das seine besten Tage deutlich hinter sich hatte.
Kinder liefen lachend dazwischen, und alles schien friedlich, bis einer der Kämpfer plötzlich mitten ins Publikum sprang, das nächstbeste Weib packte und ein Stück mit sich zerrte. Seine Hände kniffen in ihre Brüste und kneteten derb ihr Gesäß, was die
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