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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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schützen und bewahren möge, die Pforten der Hölle würden sich für sie nicht auftun.
    Später, beim Taufschmaus im Sarwürkerhaus, wurde die Stimmung erneut beklommen. Cillie thronte am Tisch, vom Scheitel bis zur Sohle Meisterswitwe, während Feme herumwuselte und darauf achtete, dass alle genug zu essen und zu trinken bekamen. Bier und Metzelsuppe tischte sie auf, eingelegtes Kraut und frische Blutwürste, weil die Nachbarin erst am Vortag eine Sau geschlachtet hatte, Speisen, vor denen Theresa sich inzwischen insgeheim ekelte. Nicht zum ersten Mal sehnte sie sich nach den einfachen, aber wohlschmeckenden Gerichten im Kloster zurück, wo ihr der Verzicht auf das Fleisch von Vierfüßlern schon zur lieben Gewohnheit geworden war.
    »Schmeckt es dir nicht?« Femes dunkle Augen waren prüfend auf sie gerichtet.
    Pflichtschuldig würgte sie einen Löffel von der süßlichen, überwürzten Suppe hinunter und versuchte zu lächeln.
    »Flattere doch nicht die ganze Zeit wie ein aufgeschrecktes Huhn hin und her!«, ermahnte die Wehmutter Feme. »Deine Niederkunft war schwer genug. Solltest dich ruhig noch ein Weilchen schonen, wo du doch gleich zwei Kinder auf einmal zu stillen hast.«

    »Sie muss aber fleißig sein«, sagte Cillie mit säuerlichem Unterton. »So und nicht anders lautet nämlich unsere Vereinbarung, wenn sie nicht in der Gosse verrecken will. Denn wer würde eine wie sie noch nehmen - eine stadtbekannte Metze mit einem ledigen Balg?«
    »Wollt ihr euch nicht lieber voneinander entfernt halten, nach allem, was geschehen ist?« Eva war besorgt, weil Cillie so abfällig redete. »Sonst geht ihr euch eines schönen Tages vielleicht noch an die Gurgel.«
    »Damit ich mir meine Kleine mit wässriger Ziegenmilch verderbe und wir verhungern, jede allein für sich? Ich denke nicht daran!« Mit aufsässiger Miene streckte sie Eva die Hände entgegen. »Da, schau! Stark sind sie und geschickt dazu. Wenn ich wollte, könnte ich ebenso gut die Zangen führen wie mein toter Mann, hab ihm ja oft genug dabei zusehen müssen. Doch das darf ich nicht, weil ich bloß ein Weib bin.« Cillie stieß ein scharfes Lachen aus. »Keiner der hohen Herren würde eine Brünne kaufen, die Frauenhände gewirkt haben, so ist es nun mal, auch wenn sie dreimal so kunstvoll gefertigt wäre. Aber meinen Gambeson tragen, der ihnen den feisten Pelz wärmt, das mögen sie - und genauso werden wir es künftig halten.«
    »Ich dachte, Laurenz hätte um dich gefreit«, wandte Eva ein. »Lethe hat so etwas erwähnt.«
    »Hat er, hat er, dieser einfältige Tropf!«, rief Cillie. »Wer die Meisterswitwe kriegt, der kann sich ja auch Meister nennen, und genau das wollte er natürlich. Sich in meinem Haus einnisten, saufen, bis ihm der Schädel wegfliegt, und mich den ganzen Tag herumscheuchen, dass mir die Beine abfallen, so hatte der Liederjan sich das bereits vorgestellt. Und mich dann allnächtlich in der Schlafkammer besteigen wie ein brünstiger Bock, damit er sich seine paar elenden Kreuzer für das Hurenhaus auch noch sparen kann.
Träum weiter, Laurenz! Wir brauchen dich hier nicht. Wir brauchen gar keinen Kerl, der uns lediglich herumkommandiert und uns Jahr für Jahr ein neues Kind macht.«
    Aus der Doppelwiege, in der die beiden Säuglinge lagen, drang vergnügtes Krähen, das wie Zustimmung klang. Offenbar gefiel es den beiden, die Nähe des anderen zu spüren. Sobald man einen von ihnen herausnahm, begann der zweite loszuplärren. Sogar die brave kleine Maris, die sich sonst kaum muckste, schien dieses Recht für sich zu beanspruchen.
    Feme nickte ergeben, während Cillie weitersprudelte: »Sie sorgt für das Haus, kocht, wäscht und hütet die Kinder - und ich erledige die Näharbeiten. Werd mich wohl auf die Anfertigung von Gambesons beschränken, das macht zwar viel Mühe, bringt aber auch gutes Geld. Erst neulich konnte ich dem werten Herrn Kanonikus sein verlorenes Messer zurückgeben, nach dem er sich vergeblich die Augen ausgeguckt hatte. So hocherfreut, wie er darüber war, hat er mir gleich drei dicke Aufträge versprochen. Und das ist erst der Anfang!«
    Sie klang so siegessicher, dass Eva vorsorglich den Mund hielt und auch Theresa lieber nichts zu diesem heiklen Thema äußerte. Die Stimmen in Bingen über diesen »Sauhaushalt«, wie die Leute sagten, würden also auch weiterhin nicht verstummen. Den beiden Frauen aber schien das nichts auszumachen, zumindest taten sie nach außen hin so.
    Wehmutter wie Lehrmagd atmeten

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