Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
sein Lachen falsch geklungen, fast schon teuflisch.
    Sollte sie Eva anvertrauen, dass sie es kaum ertragen konnte, wenn Peter ihr zu nah kam? Sein Schweiß roch so stechend, dass unwillkürlich Ekel in ihr aufstieg und sie nur noch eines wollte: so schnell wie möglich weit, weit weg von ihm. Willem dagegen hatte nach grünen Gräsern gerochen und nach etwas Holzigem, das sie nicht näher bestimmen konnte, das in ihr aber den Wunsch wach werden ließ, ihn zu küssen und zärtlich zu berühren.
    »Du hast doch nicht etwa noch den jungen Flamen im Sinn?« Evas Stimme drang unerbittlich in Theresas Gedanken. »Diesen Willem van Gent? Zum Glück hat er Bingen verlassen. Ginge es nach mir, das sag ich dir frank und frei, dann herzlich gern für alle Zeiten!«
    »Nein«, sagte Theresa, eine winzige Spur zu rasch. »Den hab ich längst vergessen.«

ITALIEN - WINTER 1154 /FRÜHJAHR 1155
    Regelmäßig zu essen bekommen hatten sie schon seit November nicht mehr. Damals war das königliche Heer drei Tage lang orientierungslos durch eine regennasse Einöde geirrt und hätte dabei beinahe einen Großteil seiner Pferde verloren, da sie wegen Futtermangel schlichtweg zu verhungern drohten. Was nützte es da, dass Friedrich danach in solche Wut geriet, dass er alle Paveser Geiseln freiließ und stattdessen befahl, die gefangenen Mailänder an die Schwänze von Pferden zu binden und so lange durch den Schmutz zu schleifen, bis sie sich alle Knochen gebrochen hatten?
    Ein halbes Dutzend Tote hatte es nach dieser Bestrafungsaktion gegeben, und Gero hatte zu den bedauernswerten Pferdejungen gehört, die sie abschneiden mussten. Den Anblick der geschundenen Körper würde er nicht mehr vergessen, solange er lebte.
    Am schlimmsten hatte der ausgesehen, der an einem feurigen Rappen gehangen hatte. Der einst prächtige Gambeson war nur noch ein loses Fetzengewebe, durch das Steine, Dreck und Lehm gedrungen waren, um sich mit der aufgerissenen Haut zu einem hässlichen rotbraunen Matsch zu verbinden. Das Gesicht des Toten war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Doch an den langen, muskulösen Gliedmaßen konnte man sehen, dass der Tote ein junger Mann gewesen sein musste, der die Schwelle zum Erwachsenenalter kaum überschritten hatte. Man ließ die Pferdejungen flache Gräber ausheben, bis sie so durchnässt waren, dass ihnen jeder Faden einzeln am Körper klebte. In den Mulden wurden die Toten dann nach ein paar hastig gemurmelten Worten eines Geistlichen verscharrt.
    An jenem Abend hatte Gero freiwillig auf das harte Brot
und den gerade mal faustgroßen Schlag fetten Schweinefleisches verzichtet, der jedem zustand, und sich in einem der provisorischen Zelte, in denen die Knechte untergebracht waren, wortlos in seinen Umhang gewickelt. Der linke Arm tat noch immer nicht ganz so, wie er eigentlich sollte, und die Vorstellung, zum lädierten Bein jetzt auch noch einen verkrüppelten Arm zu behalten, lag Gero zusätzlich wie ein Felsbrocken auf der Seele.
    Freimut von Lenzburg musste geahnt haben, was in seinem Pferdejungen vorging, denn er war trotz der späten Stunde noch einmal zu ihm gekommen.
    »Das gehört zum Kriegführen nun mal dazu.« Diese geflüsterten Worte waren als Erstes an Geros Ohren gedrungen. Dann spürte er die Wärme des sehnigen Männerkörpers, der neben ihm kniete, und er fühlte sich trotz seiner schlechten Verfassung plötzlich auf merkwürdige Weise geborgen. »Verräter, die man hart bestrafen muss, wenn man selber überleben will. Wer keine Toten sehen kann, hat auf einer Heerfahrt nichts verloren.«
    »Sie waren doch bloß Geiseln«, wagte Gero einen Einwand.
    »Was macht das für einen Unterschied? Sie mussten sterben, weil ihre Landsleute gegen getroffene Abmachungen verstoßen haben. Wenn wir den Lombarden erlauben, uns auf dem Kopf herumzutanzen, können wir unsere Zelte in Italien besser heute als morgen abbrechen. Doch das wird nicht geschehen. In Monza hat König Friedrich sich zum König des italienischen Reiches krönen lassen. Im Rom wird er zum Kaiser gekrönt. Das ist unser Ziel.« Seine Hand legte sich für einen Augenblick auf Geros Kopf. »Trotzdem kann ich mir vorstellen, wie dir zumute sein muss. War ja selber kaum älter als du, als ich über die ersten Gefallenen gestolpert bin. Keine schöne Angelegenheit!«
    Er gab ihm für den nächsten Tag dienstfrei, was sich allerdings als kein großer Akt der Wohltat erwies, denn es goss weiter, als solle die Erde ersaufen, und so musste Gero

Weitere Kostenlose Bücher