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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Antworten zu geben. Doch er beschloss, den Findeljungen nicht mit weiteren Fragen zu peinigen. Es waren schwierige Zeiten, gerade für einen heimatlosen Heranwachsenden. In Gero floss edles Blut, und Freimut hatte es von Anfang an geahnt, allein das zählte.
    Das Jahr war erst wenige Wochen alt, da zogen sie vor die Stadt Tortona, die mit der Reichsacht belegt worden war, weil ihre Bewohner ihre Kriegsgefangenen zu spät ausgeliefert und sich geweigert hatten, vor Gericht zu erscheinen, um sich den Beschwerden Pavias zu stellen. Zudem gab es eine Forderung von zehntausend Mark in Silber, die die Stadt aufzubringen habe, wollte sie vor der Zerstörung verschont bleiben. Tortona wollte und konnte diese immense
Summe nicht aufbringen. Die Folge war die Belagerung durch Barbarossa und seine Mannen.
    Doch keiner im Heerlager hatte mit den Schwierigkeiten gerechnet, die damit verbunden waren. Die Unterstadt im Sturm zu nehmen, war keine große Sache gewesen, und der Ritter, der sich dabei vor allen anderen auszeichnete, war Herzog Heinrich von Sachsen, ein Vetter Friedrichs, ein schlanker Mann mit schwarzem Bart und dunklen Augen, mutig und unerschrocken bis zur Tollkühnheit. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie im gleichen Angriff auch die Oberstadt geschleift, in die die Bewohner sich ängstlich zurückgezogen hatten. Aber es hatte auf deutscher Seite einige Tote und Verletzte gegeben, weshalb der König den Befehl zum Rückzug erteilte, um seine Ritter nicht vorschnell aufreiben zu lassen. Ein grober strategischer Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, denn die Oberstadt, auf einer Bergkuppe gelegen, verfügte über starke Mauern und befestigte Türme, von denen die Eingeschlossenen nun Pechgeschosse herunterschleuderten, die unter den deutschen Rittern großen Schaden anrichteten, während die Stadt über endlose Wochen uneinnehmbar blieb.
    Das Osterfest kam und ging - und alles blieb beim Alten. Sollte sich Friedrich Barbarossa an dieser Stadt die Zähne ausbeißen?
    Er, der römischer Kaiser werden wollte, konnte sich solch eine Schmach nicht leisten. Immer ungestümer griffen seine Ritter an, nach wie vor ohne jeglichen Erfolg. Dafür gerieten an den abendlichen Feuern die Spekulationen, wie man die Belagerten zur Kapitulation zwingen könne, immer wilder.
    »Wir hungern sie aus«, lautete einer der Vorschläge.
    »Wer weiß, was sie alles an Essbarem in ihren Truhen
und Säcken gehortet haben! Das kann noch Monate dauern - und bis dahin haben die Sumpfmücken unser Blut längst ausgesaugt, jetzt wo es von Tag zu Tag immer wärmer wird!«
    »Man sollte brennende Lumpenbälle in die Stadt schleudern und die Bewohner wie Ratten ausräuchern«, forderte ein anderer. »Dann müssen sie herauskommen, wenn sie nicht qualvoll ersticken wollen.«
    »Steinmauern sind nun mal nicht so einfach in Brand zu setzen«, konterte Ulrich von Lenzburg, Freimuts älterer Bruder, den der König besonders schätzte und bevorzugt mit Sonderaufgaben betraute. »Und dass wir von unten aus die Dächer treffen, ist unwahrscheinlich. So werden wir unser Ziel gewiss nicht erreichen.«
    Niemand hatte bemerkt, dass Arnold von Selenhofen auf einmal hinter sie getreten war.
    »Vierzig Tage kann der Mensch ohne feste Nahrung leben«, sagte er. »Wie Jesus in der Wüste bewiesen hat. Doch trinken muss er eher. Ohne Wasser stirbt man binnen Kurzem.«
    »Wir graben ihnen das Wasser ab, das wird sie mürbe machen.« Herzog Heinrich war aufgesprungen.
    »Nein«, sagte der Erzbischof. »Wir vergiften es. Das geht einfacher und schneller.«
    »Und womit?« Das war Barbarossas Stimme.
    »Eisenhut. Ein paar Handvoll - und sie sterben wie die Fliegen.«
    Welch ein Anblick, als das Tor sich nach fünf endlosen Tagen öffnete und die überlebenden Bewohner wie ein Häuflein Elender herauswankten … Die von ihnen, die noch einigermaßen gehen konnten, schleppten einfache Bahren, auf denen Kranke oder Tote lagen, denn die Kunde, dass die Barbaren aus dem Norden die Zisternen vergiftet
hatten, war von vielen Tortonesen zunächst als reine Stimmungsmache abgetan worden. Qualvolle Todesfälle hatten sie rasch eines Besseren belehrt.
    Wer noch nicht zu schwach dazu war, warf nun den Besatzern hasserfüllte Blicke zu, und man sah mehr als eine zornig erhobene Faust. Ein kleines Mädchen mit müden Schultern, wie Gero sie bisher nur an Greisen gesehen hatte, spuckte vor ihm aus und traf mitten auf seine Brust. Ihre Augen blitzten auf. Erschrocken

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