Die Prophetin von Luxor
Stimme klang tränenrauh. »Hast du nicht das Herz einer Frau? Dein Liebhaber ist tot! Mein erstgeborener Sohn ist gestorben!« Sein Ausbruch versiegte, und er
blickte stumpf auf seine Hände hinab.
»Vierzehn Mal war dieser Prophet an meinem Hof«, sagte er. »Vierzehn Mal! Als der Nil sich in Blut verwandelte, war ich überrascht, aber ich habe mir nicht allzu viele Sorgen gemacht. Als dann die Plagen genauso eintrafen, wie der Prophet prophezeit hatte, packte mich die Angst, doch ich war zu wütend, um die Worte zurückzunehmen, die der >mächtige Horus-im-Nest< gesprochen hatte.«
Schweigend saß sie da.
»Als meine eigenen Ratgeber, Cheftu eingeschlossen, mich anflehten, die Sklaven ziehen zu lassen, habe ich das nicht über mich gebracht. Mein Stolz stand auf dem Spiel. Ich habe nicht an Ägypten gedacht, nur an meinen verletzten Stolz.
Als ich Moshe das letzte Mal gesehen habe, stand ich vor ihm wie eine leere Hülle und habe ihm gedroht. Inzwischen ist mir klar, daß der Tod für ihn keine Bedrohung sein konnte. Er hat mich nicht gefürchtet, denn sein Wüstengott hat stets gewußt, was ich tun würde.
Doch erst als ich Graf Makab tot daliegen sah, als ich meinen Freund Sennedjim tot daliegen sah und meinen Erstgeborenen Turankh leblos meinen Armen hielt - mein Weib Isis hat sich vor Gram das Leben genommen -, erst da habe ich begriffen, wie folgenschwer meine Entscheidung gewesen war.«
Er deutete auf die zur Stadt hinweisende Brustwehr. »In jener Nacht stand ich dort. Res schwaches Auge war wie Blut und schien sich über das ganze Volk zu ergießen. Haii-aii, Hat-schepsut! Die Trauernden, die mir die Sicherheit ihrer Kinder anvertraut hatten! Mir! Einem Gott! Ich bin für alles verantwortlich.« Die Trauer in seiner Stimme war scharf wie eine zweischneidige Klinge.
»Mein Stolz hat eine ganze Generation das Leben gekostet.«
Thut vergrub das Gesicht in den Händen und stemmte sich mit den Schultern gegen die Tränen, die ein Gott nie vergießen durfte.
Lange blieben sie so sitzen in jenem verwüsteten Garten, voller Reue der eine ... voller Rachdurst die andere.
VIERTER TEIL
14. KAPITEL
DER SINAI
Die Tage und Wochen verschwammen ineinander. Jede Nacht marschierten die Stämme weiter, stets der Feuersäule folgend, die sich tagsüber, während sie schliefen, in eine sanfte, schattenspendende Wolke verwandelte.
Cheftu verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, typische Reisekrankheiten wie verstauchte Knöchel, gezerrte Muskeln oder Magenbeschwerden zu behandeln. Sie marschierten nicht mehr inmitten des israelitischen Zuges. Inzwischen bildeten sie die Nachhut. Meneptah, seine Mutter und D’vorah akzeptierten sie. Für die Mehrheit der Apiru jedoch gehörten sie zu den Ägyptern, die sie vierhundert Jahre lang unterdrückt hatten. Chloe hatte das Gefühl, daß man sie nur duldete, weil Moshe mit Cheftu gesprochen und ihm dafür gedankt hatte, daß er Caleb aus dem Feuer gezogen hatte.
Das hatte nichts damit zu tun, daß sie keine Juden waren. Hunderte andere Apiru hatten sich dem Exodus angeschlossen, Menschen, die noch nie etwas von den Kindern Abrahams gehört hatten. Es lag daran, daß sie wohlhabende Ägypter waren und der Priesterschaft angehörten, was sich auch durch ihre schlichten weißen Gewänder nicht verbergen ließ. Cheftu strahlte unwillkürlich Autorität aus, und Chloe schätzte, daß man ihr das genauso ansah. Also blieben sie unter sich und in Meneptahs kleinem Clan.
Ihre Gedanken kamen zur Ruhe, als sie wieder einmal ihre Körbe aufstellte und den Umhang darüberlegte, um etwas Abgeschiedenheit und Schutz zu schaffen. Nachdem sie eine kleine Grube gegraben hatte, legte sie mehrere Fladen ungesäuerten Teiges hinein, bedeckte sie mit Sand und zündete darüber ein Feuer an. Dann nahm sie einen Topf und stellte ihn ins Feuer, um die Suppe zu bereiten, die sie bislang am Leben erhalten hatte. Elishava kam in den Schatten, ließ sich in den heißen Sand plumpsen und fächerte sich wild mit beiden Händen Luft zu.
»Wie geht es dir heute morgen?« fragte sie freundlich. »Der Marsch war gut, oder?«
Der Dialekt der älteren Frau war nicht leicht zu verstehen, doch Chloe lächelte und antwortete, daß er gut gewesen sei. Sie sah zu, wie Elishava etwas Wasser über ihre Hände goß und ihr Gesicht damit benetzte. Cheftu hatte ihr zwar erklärt, daß die jüdischen Reinheitsgebote noch nicht geschrieben worden seien, doch während der langen Zeit in Ägypten waren die
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