Die Prophetin von Luxor
Israeliten zu einem reinlichen Volk geworden. Immer mehr Menschen versammelten sich um ihr Feuer, D’vorah kam von den kleinen Mädchen, die sie Lieder singend und Geschichten erzählend begleitete, danach tauchten Cheftu und Meneptah auf, die Tag für Tag in einem der Wagen für die Kranken arbeiteten. Chloe reichte das Wasser herum, mit dem sich alle wuschen, dann gab sie jedem Suppe und Brot. Wie vor jeder Mahlzeit sprach Meneptah ein kleines Gebet zu dem Gott, dem sie das alles verdankten. »Danke, o Gott, der du auf dem Felde Brot wachsen läßt.«
Nach einem gemurmelten Dankeswort begannen alle, über ihren Tagesablauf zu berichten. Allein Chloe hatte keine weitere Aufgabe, als sich um das Zelt und um das Essen zu kümmern, zeitaufreibende Arbeiten, die einige Organisation erforderten, aber keinen Kontakt zu anderen Menschen erlaubten. Aharon war der Ansicht gewesen, die ehemalige Hathor-Priesterin solle sich möglichst unauffällig verhalten, da es bereits Probleme mit den Stämmen gab, die über eingebildete Gefahren jammerten und in diesem Lager des einen Gottes andere Götter anbeten wollten.
Die Sonne stand hoch und heiß am Himmel, um sie herum war nichts als Ödnis. Die Heuschrecken hatten auch hier gewütet. Was später einmal Golf von Suez genannt werden sollte, befand sich rechts von ihnen, bewacht von Patrouillen ägyptischer Soldaten, die ihre Landesgrenzen verteidigten - und die höchstwahrscheinlich als Erstgeborene gestorben waren. Chloe kaute müßig auf ihrer Unterlippe, während um sie herum gegessen wurde. Links von ihnen befand sich die Wüste des Sinai, deren himmelhohe Gipfel außer Sichtweite waren, umgeben von Staub und Schmutz sowie einer grauenhaften Trok-kenheit, die Kopfhaut und Nase zum Bluten brachten.
Doch die Israeliten waren befreit. Es war wirklich eingetroffen. Bedächtig nahm sie einen Schluck des kostbaren Süßwassers und beobachtete, wie Meneptah, den Blick auf D’vorah gerichtet, zu essen vergaß. Sie erholte sich gut. Die schrecklichen Verbrennungen auf ihrem Gesicht und ihren Händen waren verheilt. Sie war nicht mehr die jugendliche Schönheit von früher, aber Meneptahs verträumtem Blick nach zu urteilen, tat das nichts zur Sache. Sie war sozusagen in seine Familie gerutscht, geliebt von seiner Mutter, von seinen Schwestern und Brüdern geachtet, und Chloe wie auch Cheftu waren sicher, daß die beiden sich noch vor der Verkündung der Zehn Gebote unter dem Hochzeitszelt vereinen würden.
Cheftu beugte sich zu ihr herüber, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Meinst du, er gibt mir seine Suppe, wenn er sie nicht mag? Obwohl ich gestern nacht im Traum Lachs im Teigmantel mit neuen pommes de terre und Schokol-«
Chloe hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, während vor ihrem inneren Auge eine Vision von Paella, Hummercremesuppe und Gelato al Pistaccio zu tanzen begann.
»Sag nicht so was. Wir essen dieses Zeug schließlich erst seit zwei Monaten, hau?«
Cheftu lachte und sagte auf ägyptisch: »Mmmm . denk doch mal an gebratenes Geflügel mit Granatapfel oder an mit Nüssen gefüllte Fische .«
Chloe zuckte mit den Achseln. »Wenn ich mich recht entsinne, dürfen wir noch etwa vierzig Jahre lang Suppe essen.«
»Immerhin hat uns das Große Haus nicht verfolgt, also wird es womöglich gar nicht nötig sein, das Meer zu teilen, auf dem Berg Sinai wird es keine Probleme geben, und wir brauchen keine vierzig Jahre durch die Wüste zu ziehen.«
Chloe sah ihn an und stellte ihren Teller ab. »Glaubst du, wir haben in die Geschichte eingegriffen?« Sie sah zu den plaudernden Apiru hinüber.
»Ich weiß nicht, was ich sonst glauben soll. Thut ist ein gebrochener Mann. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich anders besinnt. Er hat begriffen, daß dies kein Steingötze ist, sondern eine lebendige, atmende Gottheit. Er wollte nichts lieber, als daß wir verschwinden, auch wenn er natürlich Moshe bedroht hat, um sein Gesicht zu wahren.«
»Deshalb hat er uns ziehen lassen?«
»Es war ihm gleichgültig. Meneptah hat erzählt, sein Junge Turankh hätte in dem Streitwagen gelegen, mit rosafarbenen Wangen, als sei er noch am Leben, und mit geflochtener Jugendlocke, weil er am nächsten Tag an einem Mannschaftsspiel teilnehmen wollte. Thut hatte nur noch seine zerstörte Familie und sein zerstörtes Land im Sinn. Ich kann verstehen, daß er so um seine Familie besorgt ist. Seine Trauer kann ich mir nicht ausmalen.«
Die Sonne war blendend hell, und die
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