Die Prophetin von Luxor
eindeutig weißer Haut.« Eher wie ein totes Huhn, dachte sie.
»Darf ich dir einen neuen Geschmack zeigen?« flüsterte er in ihr Ohr.
Das Blut dröhnte in ihren Ohren, als sie sich in seinen Armen umdrehte, um ihn zu küssen. »Ich glaube, wir sollten uns ein Sundae genehmigen.«
»Sand-Ei?«
Sie knabberte an seinem Ohrläppchen. »Nicht Sand-Ei. Ein Sundae ist ein ganz besonderes Eis.«
»Inwiefern besonders?«
Ihr Atem begann zu beben, als sie seine rauhen Hände über ihre nackte Haut streichen spürte. »Drei Sorten auf einmal, Sirup und Nüsse.«
»Drei?« Erstaunt löste er sich von ihr.
»Wenn dir das natürlich zuviel ist ...?«
»Natürlich nicht«, widersprach er und schob ihre Beine auseinander. »Ich wollte das nur klarstellen. Drei sind kein Problem.«
»Cheftu? Ich, also, ich möchte, daß jede . anders ist.«
Die Tage vor Hatschepsuts leerem Mausoleum waren beinahe wie Flitterwochen. Morgens saßen sie in der Sonne, hielten sich an der Hand und genossen den ersehnten Frieden, von niemand verfolgt zu werden, unverletzt zu sein, nicht hungern zu müssen. Es war eine willkommene Abwechslung, milde gesagt. Mittags liebten sie sich und verschliefen dann den Nachmittag. In der Abenddämmerung ging einer von beiden mit Thief auf die Jagd, danach teilten sie ihr Essen am offenen Feuer. Ganz in der Nähe hielt sich eine Löwenmeute auf, und manchmal ging Thief mit den anderen Löwen auf Jagd, wenn auch in angemessenem Abstand zu den Löwinnen und ihren Jungen.
Verlorenes Gewicht wurde zurückgewonnen, neue Energie getankt; und dann war es soweit. Sie mußten weiter.
Gemeinsam wanderten sie ein letztes Mal durch das Grab, bestaunten Hatschepsuts Schätze, blieben ehrfürchtig vor der Moses-Statue stehen und kehrten schließlich nach unten in den Eingangsraum zurück. Sie versiegelten die Öffnung zur Grabkammer, und Cheftu drückte sein privates Siegel als Erpa-ha Ägyptens in den feuchten Lehm. Chloe versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was Cammy über den Fundort der Schriftrollen gesagt hatte, und als sie im Gang an zwei riesigen Wasserkrügen vorbeikamen, begriff sie, daß damit das letzte Puzzlestück seinen Platz gefunden hatte.
Noch einmal sahen sie alle Zeichnungen durch, und Chloe fragte sich, ob und unter welchen Umständen sie ihre Werke wiedersehen würde. Mit einem stillen Gebet rollten sie die Papyrusblätter auf, wobei sie das größte als äußere Hülle nahmen, das dadurch am leichtesten wieder zu entrollen sein würde. Die Exodus-Rolle. Sie richteten die Krüge auf, verwischten ihre Fußabdrücke und kehrten wieder ans Licht zurück.
Als Cheftu oben über der behelfsmäßigen Leiter verschwand, rief Chloe ihm zu, einen Moment zu warten. Mit der letzten Fackel in der Hand kehrte sie an die gegenüberliegende Wand zurück, wo sich der Zugang zu Hatschepsuts Schatzkammer befand. Im Staub kniend schwärzte sie ihre Fingerspitze mit Ruß und zeichnete ihr Katzenzeichen oben, neben eine Leiter.
Leitersymbole fand man häufig an den Wänden von Grabkammern; sie standen für den Aufstieg an Osiris’ Seite. Sie bedeuteten auch »nach oben steigen«. Vielleicht wäre das der Beweis, den sie im zwanzigsten Jahrhundert brauchte.
»Schau hoch, Cammy«, flüsterte Chloe.
Sobald sie wieder draußen stand, schob Cheftu die Felsen vor den Eingang, um ihn zu verstecken, dann schulterten sie ihre leicht gewordenen Körbe und machten sich auf den Rückweg nach Waset.
Cheftu erlaubte nicht, daß Thief mit ihnen kam. Tagelang hatten sie deswegen gestritten. Cheftu meinte, Thief habe keine Angst vor Menschen, das würde ihm zum Verhängnis werden. Chloe schlug einen Zoo vor. Cheftu meinte, in der Meute nahe dem Grab gebe es keinen männlichen Löwen; auf diese Weise könnte Thief zu einer Familie kommen. Chloe widersprach, er sei noch zu jung und würde sich noch nicht für Weibchen interessieren. Cheftu erklärte, sie könnten ihn nicht beschützen.
Chloe brach in Tränen aus. »Er hat uns das Leben gerettet! Wir können ihn nicht mutterseelenallein zurücklassen!«
»Also sollen wir ihn lieber nach Waset mitnehmen? Und dann, Chloe?«
»Nein ...« Sie rieb sich die rotgeweinten Augen. Tief im Innersten wußte sie, daß Cheftu recht hatte. Sie wußte auch, was er nicht aussprach. Sie wären nicht mehr da. Er wäre im Frankreich des neunzehnten und sie im Amerika des zwanzigsten
Jahrhunderts, und Thief wäre für sie nur noch eine Erinnerung. Wären sie füreinander auch nur noch
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