Die Prophetin von Luxor
wie sie ihn in Erinnerung hatte . in etwa. Die Wände waren mit Geschichten darüber bemalt, wie die Königin dank der Göttin ein Kind empfangen und einen gesunden Knaben geboren hatte.
Blut pochte ihr im Kopf, teils vor Aufregung, weil sie die Hieroglyphen an der Wand lesen konnte wie die Zeitung von gestern, teils, weil sie es kaum erwarten konnte, heimzukehren.
Sie hatte keine Uhr, doch es schien spät zu sein. So gut sie konnte, würde sie die Situation nachstellen, die sie hergebracht hatte, und auf diese Weise hoffentlich wieder in ihre Zeit zurückkehren. Nicht umsonst hatte Cammy sie gezwungen, unzählige Episoden von Raumschiff Enterprise anzuschauen! Chloe näherte sich dem Altar mit der eleganten Silber-Elektrum-Statue Hathors in ihrer kuhähnlichsten Ausführung. Sie sah zum Fenster hinauf, wo sich hinter dem Spalt in der Mauer dunkel wie Tinte der Himmel zeigte. Langsam, ganz langsam ging sie in die Knie.
Nichts.
Sie probierte es mit schnellem Hinknien.
Nichts.
Nach einer Stunde in verschiedenen Haltungen, verschiedenen Geschwindigkeiten, verschiedenen Gemütszuständen war sie immer noch da. Im alten Ägypten. Mit schwarzem Haar und brauner Haut.
Allein.
Entsetzlich, schrecklich allein.
Nicht einmal auf dem Friedhof vor sechs Monaten hatte sie sich so allein gefühlt, obwohl sie damals geglaubt hatte, un-möglich noch einsamer sein zu können. Ach Mimi! weinte sie insgeheim, und sie sehnte sich nach der tröstenden Nähe ihrer Familie. Aber die war weit weg.
Erschöpft stand sie auf, blickte mutlos in den heller werdenden Himmel und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Zimmer.
Der Sonnengott Re näherte sich bereits, und über allem lag ein heller Schein, der all die bunten Malereien erstaunlich lebendig wirken ließ, der das Alabaster und Gold unter ihren Füßen wärmte, der sich in den überall aufgehängten, riesigen goldenen und silbernen Türen spiegelte und sie blendete. Der sie zu einer Fremden machte.
Entmutigt und mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube legte sich Chloe in ihrem schlichten, weiß gekalkten Zimmer auf das harte, hölzerne Bett und starrte mit offenen Augen an die Decke.
Und nun?
Cheftu lehnte sich zurück und genoß Ehurus kundige Rasur. Während dampfende Leintücher auf seinem Gesicht lagen, wehte Vogelgezwitscher durch die Fensteröffnungen herein und hob seine Laune. Heute hatte er frei - er mußte lediglich Pharao über die verwirrte Priesterin Bericht erstatten, danach hatte er wundervolle Dekane für sich selbst. Seine Unterrichtszeit im Haus des Lebens hatte er mit einem anderen Arzt getauscht, und so konnte er entweder auf die Jagd gehen oder beim Lesen seinen neuen Wein probieren, oder er konnte sogar der wohlhabenden kallistaenischen Witwe einen Besuch abstatten.
Ehuru nahm die Leintücher von seinem Gesicht. Die morgendliche Brise kühlte Cheftus glatte Wangen und sein Kinn. Sein Diener zupfte ihm noch die Brauen, dann zog er mit einem schweren Bleiglanz-Stift die Lider nach und verlängerte die Augenbrauen. Cheftu setzte sich auf.
»Gehst du heute morgen an den Hof, Herr?«
»Nur kurz, Ehuru.«
»Haii! Wird es ein glücklicher Tag für die gelbhaarige Witwe?«
Cheftu sah dem Alten in die schwarz funkelnden, prüfenden Augen. »Ich habe ihr Horoskop nicht gelesen, also weiß ich auch nicht, was die Götter heute mit ihr vorhaben«, antwortete er trocken.
Ehuru senkte den Blick und atmete laut aus, »Herr, wer wird für dein Haus der Ewigkeit sorgen, wenn du keine Kinder zeugst? Diese ganzen Reisen sind schön und gut, aber sie können einen Mann in der Nacht nicht wärmen! Wenn du eine Frau hättest, würde dich dein Bauch nicht so plagen!«
Cheftu wedelte abwehrend mit einer Hand. »Ich weiß, Ehuru, ich weiß. Wenn ich keinen Sohn bekomme, werde ich ewig Hunger leiden, und wenn ich keine Tochter bekomme, werden die Priester mein Land erben. Und ohne eine Frau, meinst du, wird mir in den frostigen ägyptischen Nächten wahrscheinlich mein Glied abfallen!« Er lachte. »Ich bin nicht gewillt, jetzt schon mein angenehmes Leben aufzugeben. Ich habe meine Reisen genossen. Ich bin erst seit wenigen Monaten wieder in Ägypten.« Cheftu zog eine Braue hoch. »Und, alter Vater, als Hemu neter werde ich meinen Bauch wohl selbst heilen können, hau?«
Ehuru schlurfte davon. »Sehr wohl, Herr. Allerdings werden auch deine Freunde heiraten, und du wirst dein Leben ganz allein trinkend und spielend vergeuden, mit brennenden Innereien, weil dir eine
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