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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Gegend einen Besuch abzustatten. Der Pfarrer hat nicht die Polizei gerufen, sondern Vater Pulaski kommen lassen. Er war ein riesiger Pole vom anderen Ende der Stadt. Vater Pulaski ging mit mir hinter die Kirche und hat mich windelweich geschlagen. Dann meldete er mich im CVJM für einen Karatekurs an. Damals entdeckte ich…«
    »Was haben Sie entdeckt?«

    Er sah sie mit seinen klaren Augen an. »Daß es in mir etwas gibt das ich ständig unter Kontrolle halten muß. Ich kann es nicht beschreiben, aber diese Kraft macht mir Angst.«
    »Hängt der Alptraum damit zusammen?«
    »In unserer Gegend gab es einen Laden, einen altmodischen kleinen Laden. Er gehörte einem alten Mann, ich weiß nicht mehr wie er hieß. Er stammte aus Europa und sprach mit einem starken Akzent. Seine Frau war vor ein paar Jahren gestorben. Er war ein netter alter Mann, der den Kindern immer Bonbons schenkte.
    Als Sechzehnjähriger war ich einmal noch spät in seinem Laden. Er wollte gerade schließen. Er nannte mich immer Mickey. Da ich nicht von der Stelle wich, sagte er: ›Such dir was aus, Mickey, ich will die Spätnachrichten nicht verpassen.‹ In diesem Augenblick kam einer dieser Junkies herein. Er war älter als ich, aber dünn, und er sah wie ein Schwächling aus. Er ging an die Kasse, zog eine Pistole und wollte Geld.
    Er wußte nicht, daß ich im Laden war. Der alte Mann stand hinter der Theke und sagte: ›He, Junge, das wirst du doch nicht machen! Damit ruinierst du dir das Leben.‹ Der alte Mann sah, wie ich mit meinem Sechserpack Bier oder Coke oder was immer es war durch den Gang kam. Ich blieb stehen. Der Junkie bemerkte mich nicht, denn ich befand mich hinter ihm. In diesem Augenblick schien plötzlich alles zu erstarren. Eine Weile schien es keine Geräusche zu geben, als sei die Welt zum Stillstand gekommen. Die Augen des alten Mannes richteten sich unverwandt auf mich. Er wartete darauf, daß ich etwas tun würde.
    Aber ich war wie gelähmt. Ich stand einfach da. Dann hörte ich die Schüsse. Sie trafen den alten Mann dreimal in die Brust. Der Junkie sprang über die Theke, nahm das Geld aus der Kasse und rannte davon…«
    Garibaldi ließ den Kopf sinken. Er zitterte. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte.
    »Und das«, sagte er schließlich tonlos, »erlebe ich im Traum immer wieder. Ich stehe in dem Laden. Ich stehe untätig in dem Laden, während dieser Junkie einem unschuldigen Mann das Leben nimmt.«
    »Das war nicht Ihre Schuld. Sie waren erst sechzehn…«
    »Ich war sehr viel stärker als der Typ und habe dem alten Mann doch nicht geholfen. Ich habe es noch nicht einmal versucht…«
    »Er hatte eine Waffe.«
    »Aber er wußte nicht, daß ich hinter ihm stand.« Garibaldi seufzte tief und stand auf. »Wie auch immer, danach bin ich regelrecht ausgeflippt. Ich machte völlig verrückte Sachen. Ich fand es zum Beispiel cool, in einer Kirche Graffitti zu sprühen.«
    »Und wie sind Sie Priester geworden?«
    »Vater Pulaski hat mich auf den Weg gebracht.« Garibaldi ging wortlos in sein Schlafzimmer und kam kurz darauf mit einer Taschenuhr zurück. Catherine hatte bereits beobachtet, daß er sie regelmäßig hervor-holte und aufzog. Es war eine alte Uhr an einer Kette von der Art, wie sie sich in Catherines Vorstellung im letzten Jahrhundert über den runden Bäuchen wohlhabender Geschäftsmänner spannten. »Er hat sie mir an dem Tag geschenkt, als er starb«, sagte Garibaldi und gab ihr die Uhr. »Sie stammte von seinem Lehrer, der sie, wie ich glaube, von seinem Lehrer bekommen hat. Sie ist sehr alt, man kann die Gravur kaum lesen…«
    Catherine nahm die Uhr bewundernd in die Hand. Garibaldi ging im Zimmer auf und ab. »Vater Pulaski war ein großer, lauter, lärmender Pole. Als ich ihm gestand, daß ich überlegte, ob ich nicht Priester werden sollte, erklärte er: ›Du bist zum Dienst des Herrn berufen worden, Junge!‹ Ich fragte: ›Und was soll ich jetzt machen?‹ Da rief er mit Donnerstimme: ›Was für eine dumme Frage? Selbstverständlich folgst du dem Ruf!‹« Garibaldi blieb am Fenster stehen, berührte mit den Fingern die Glasscheibe und zuckte zurück, als habe ihn ein Schlag getroffen. Nach einer Weile fuhr er fort: »Vater Pulaski war entschieden gegen die neue Messe und las bis zu seinem Tod die alte lateinische Messe, obwohl es ihm verboten worden war. Ich erinnere mich, daß der Bischof kam, um mit ihm zu sprechen. Vater Pulaski brummte: ›Also gut, die Messe muß

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