Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
Vom Netzwerk:
jetzt auf Englisch gelesen werden! Man hätte wenigstens ein bißchen Latein beibehalten können! Wenigstens das Kyrie hätte man beibehalten sollen!‹ Keiner von uns brachte es übers Herz, ihn daran zu erinnern, daß das Kyrie der einzige griechische Teil der Messe war.« Garibaldi sah Catherine an. »Vater Pulaski veranstaltete eine Kollekte und schickte mich zur Schule. Dort entdeckte ich meine Begabung für Mathematik und mein Talent für den Umgang mit Computern. Als ich 1984 schließlich das Examen in Computerwissenschaft ablegte, war ich siebenundzwanzig und bereits seit sechs Jahren ein geweihter Priester.« Catherine legte die Uhr vorsichtig auf den Tisch. »Warum sind Sie immer noch bei mir, Vater Garibaldi? Warum sind Sie nicht in Ihrem Pfarrhaus oder an der Universität, wo Sie unterrichten?«
    Er gab keine Antwort, sondern drehte sich um und blickte schweigend in die Dunkelheit.
    Catherine starrte auf ihre Handflächen, als wollte sie die Zukunft darin lesen. Dann sagte sie: »Ich habe Ihnen von meiner Mutter und von ihrer Arbeit erzählt. Sie war eine liebenswerte, sanfte Frau und sehr religiös. Das letzte, was sie wollte, war, jemanden wegen seines Glaubens anzugreifen. Wenn überhaupt, dann hoffte sie, den Glauben zu erhellen. Doch die Kirche sah in ihr eine Bedrohung. Und weil sie an einem katholischen College unterrichtete, machte die Kirche ihren Einfluß geltend. Anfangs widersetzte sie sich.
    Schließlich schickte man jemanden aus Rom. Der Mann aus dem Vatikan war ein Dominikaner und gehörte zum Offizium der Inquisition.«

    »Seit 1965 heißt es nicht mehr Inquisition.«
    »Ich weiß. Man hat sich einen unverfänglicheren Namen einfallen lassen: ›Die Kongregation für Glaubensdoktrin.‹ Aber sie hieß sechshundert Jahre lang Inquisition, und diese Einrichtung ändert sich nicht dadurch, daß man sie seit vierunddreißig Jahren anders nennt. Ich weiß, was die Kongregation tut, Vater Garibaldi. Ihre Aufgabe ist es, alles zu untersuchen, was der Kirche gefährlich werden könnte. Und ich weiß, daß diese Untersuchungen unter strenger Geheimhaltung durchgeführt werden.« Sie ballte die Fäuste und fuhr dann mit schneidender Stimme fort: »Ja, ich weiß über die Kongregation Bescheid: Wie das Tribunal eingesetzt wird, mit einem Richter, dem Assessor, und einem Beisitzer, dem Kommissar. Ich weiß, daß sie jeden unter die Lupe nehmen, der eine Gefahr für die Einheit der Kirche darstellen könnte. Am Anfang haben sie versucht, über Vater McKinney, unseren Gemeindepfarrer, etwas zu erreichen. Vater McKinney kam zu uns nach Hause und verlangte von meiner Mutter, ihre Angriffe gegen die Kirche einzustellen.
    Aber sie verwickelte ihn immer in leidenschaftliche Diskussionen und erklärte, die Kirche müsse sich im Einklang mit den Bedürfnissen ihrer Mitglieder entwickeln. Ich nehme an, als schließlich der Vertreter des Vatikan erschien, empfand Vater McKinney das als eine persönliche Niederlage. Er hatte das Gefühl, von meiner Mutter gedemütigt worden zu sein. Er hatte sie nicht überzeugen können. Und es war ihm nicht gelungen, ihre Argumente zu widerlegen.«
    »Was ist geschehen?«
    »Die Inquisition hat dem Papst empfohlen, meine Mutter ihrer Stellung zu entheben und ihr die Befähigung abzuerkennen, die römisch-katholische Glaubenslehre zu unterrichten. Man teilte ihr sogar mit, sie sei keine katholische Theologin mehr und verbot ihr, weiterhin zu schreiben oder zu veröffentlichen. Meine Mutter fügte sich. Aber«, Catherine seufzte, »Vater McKinney genügte das nicht. Ich werde den Sonntag nie vergessen… damals war ich zehn. Vater McKinney stand auf der Kanzel, sprach in seiner Predigt über Ketzerei und blickte dabei auf meine Mutter. Es war schrecklich. Die ganze Gemeinde starrte uns an. Meine Mutter stand auf und verließ mit hoch erhobenem Kopf die Kirche. Sie ist nie mehr zum Gottesdienst gegangen. Danach besuchten nur noch mein Vater und ich die Sonntagsmesse. Ich spürte jedesmal, wie die Leute uns anstarrten. Die anderen Kinder in der Schule gaben meiner Mutter Schimpfnamen und sagten, wir würden für unsere Sünden in der Hölle büßen.«
    Catherine schloß die Augen, als plötzlich ungebeten ein Bild vor ihr auftauchte. Die fünfte Klasse kicherte und flüsterte, während sie neben dem Pult der Lehrerin auf einem Hocker stand. Ihr Gesicht glühte vor Scham, weil etwas Feuchtes an ihren Beinen hinunterlief.
    »Die Leute wußten nicht, daß meine Mutter jeden

Weitere Kostenlose Bücher