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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Schem-Tow hat uns gesagt: ›Er ist überall dort zu finden, wo man ihn einläßt‹«, legte Julius die Autoschlüssel wieder beiseite, zog die oberste Schublade der Kommode im Schlafzimmer auf und holte den Tallit und die Tefillin heraus – den Gebetsschal und die Gebetsriemen.
    Zwar verrichtete Julius regelmäßig das Morgengebet, doch er wußte sehr wohl, daß er es oberflächlich tat und mit seinen Gedanken bereits bei dem bevorstehenden Tag war.
    An diesem Morgen würde er sich die Zeit für ein richtiges, bewußtes Gebet nehmen.
    Als er nach langer tiefer Versunkenheit den Blick vom Gebetbuch hob, sah er, daß die Sonne den Kampf gegen die Wolken gewonnen hatte. Der Himmel über Malibu war strahlend blau. Julius fühlte sich so er-frischt, als hätte er gut gegessen und tief geschlafen.
    Sein Geist war klar; alle Verwirrung und Unsicherheit schienen verschwunden.
    Er ging ins Wohnzimmer, blickte auf die Wiedergabe der mit Malereien verzierten Handschrift in Rabbi Goldmans Katalog und sah seinen Weg deutlich vor sich. Er wußte jetzt, was er zu tun hatte.
    In der Küche wählte er die Nummer der Redaktion von Augenzeugen und fragte nach Camilla Williams.
    Während er auf die Verbindung wartete, wanderte sein Blick zurück ins Wohnzimmer und zu dem bemer-kenswerten Buch, das eine Darstellung der letzten Tage der Sabina Fabiana enthielt – die Umstände und den Ort ihres Todes, sowie die Tatsache, daß sie gestorben war, bevor sie ihre Geschichte zu Ende erzählen konnte. »Sie hinterließ sechs Schriftrollen über Alchimie und Zauberei«, hieß es in der Handschrift. »Über die siebte, von der die Legende berichtet, ist nichts bekannt, denn sie wurde nie geschrieben.«

    Washington, D.C.

    »Ich weiß, Sie haben mich nicht darum gebeten«, sagte der Taxifahrer. »Aber ich nehme bei Besuchern, die zum ersten Mal hier sind, am liebsten diesen Weg, besonders in der Weihnachtszeit. Dann sind alle Denkmäler angestrahlt, und die Kerzen am Weihnachtsbaum auf dem Rasen vor dem Weißen Haus brennen. Das kostet nichts extra«, fügte er freundlich hinzu. Catherine nahm kaum etwas von den berühmten Bauwerken und Denkmälern wahr, die in der kalten Dezembernacht im Lichterglanz strahlten, als das Taxi langsam durch die verstopften Straßen rollte. Sie war sich nur der Wärme der Finger bewußt, die ihre Hand umschlossen. Sie blickte auf Garibaldis Hand hinunter, der ihre Hand hielt. »Alles in Ordnung?« flüsterte er.
    Sie nickte, schloß die Augen und dachte sofort wieder an den Kampf und die Flucht aus dem Hotel Atlantis. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie waren um Haaresbreite mit dem Leben davongekommen.
    Bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen hatten sie festgestellt, daß es minus 5 Grad waren und das Thermo-meter weiter fiel. Tagsüber, so sagte man ihnen, seien es gerade null Grad gewesen; jetzt am Abend war die Luft schneidend kalt.
    Bei ihrer Flucht aus Las Vegas hatten sie nur ihre persönlichen Dinge mitgenommen – Catherine die blaue Sporttasche, Garibaldi seine Reisetasche und den Laptop –, die gekauften Kleidungsstücke hatten sie zu-rückgelassen.
    Wie sich herausstellte, hatte Garibaldi Reiseschecks besorgt. Sie nahmen den nächsten Flug, der Las Vegas verließ. Die Maschine brachte sie nach Washington, D. C. Nach der Ankunft hatten sie sich auf dem Flughafen getrennt. Garibaldi ging zum Zimmernachweis-Schalter, um eine Unterkunft zu finden, Catherine machte sich auf die Suche nach einem Geschäft für Winterkleidung. Eine halbe Stunde später trafen sie sich wieder: Catherine mit Einkaufstüten, in denen sich Daunenjacken, Schals, Handschuhe und Strickmützen befanden, und Garibaldi mit der Nachricht daß er etwas für sie gefunden hatte, »Übernachtung und Frühstück«, sagte er. »Zwei separate Zimmer.«
    Catherme wußte, ›separate Zimmer‹ bedeutete, es bestand keine Gefahr einer Wiederholung der Episode der Nacht im Atlantis, als sie Garibaldi aus seinem Alptraum geweckt und er sie in die Arme genommen hatte.
    »Im Radio sagen sie, es wird wahrscheinlich schneien«, berichtete der Taxifahrer, als sie am Washington-Denkmal vorbeifuhren, das wie ein anklagender, geisterhafter Finger in den Himmel ragte. »Also«, fuhr er fort und blickte fragend in den Rückspiegel, »was glauben Sie? Was wird an Silvester geschehen? Kommt der Weltuntergang oder eine schreckliche Katastrophe?« Er lachte leise.
    Catherine sah Garibaldi nachdenklich an. Er hatte ihr bewiesen, daß es im Leben

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