Die Prophetin
Stelle weiterführen, wo die sogenannten Schriftrollen gefunden worden seien.
Dann betrachtete Catherine die Abbildung des Jesus-Fragments. Im Fernsehen beendete die Wissenschaftlerin des Instituts in Denver ihre Ausführungen, und auf dem Bildschirm erschien die Auffahrt eines Anwesens irgendwo in den Bergen. Miles Havers stand auf dem gepflasterten Weg, der zu seinem Haus führte.
»Offen gestanden, überrascht mich die Nachricht nicht, daß es sich bei dem Fragment um eine Fälschung handelt. Man muß schließlich den zweifelhaften Ruf dieser Archäologin in Betracht ziehen. Vergessen wir nicht, als sie den mysteriösen Korb geöffnet hat, war niemand anwesend.«
»Du Schwein!« Catherine ballte die Fäuste. Havers’ typisches Lächeln wich einem Ausdruck moralischer Besorgnis, als er fortfuhr. »Ich kann nur sagen, der Betrug bringt mich in große Verlegenheit, denn Catherine Alexander hat mich wie alle anderen hinters Licht geführt! Darüber hinaus fühle ich mich persönlich verantwortlich für die Hoffnungen, die in so vielen Menschen geweckt wurden, die Schriftrollen könnten bestimmte Informationen religiöser Art enthalten. Mein Angebot von fünfzig Millionen Dollar ließ sich als eine gewisse Bestätigung der Echtheit der Schriftrollen deuten, und es gab vielen Menschen das Gefühl, sie seien echt. Dafür entschuldige ich mich. Es war mein Fehler, es war meine Schwäche, und ich kann niemandem außer mir selbst einen Vorwurf machen.«
»Deshalb«, sagte Garibaldi, »hat Havers gestern angekündigt, er führe mit Ihnen geheime Verhandlungen über den Kauf der Schriftrollen. Dadurch war von vornherein klar, daß man ihn heute interviewen würde.
Er hat alles so eingefädelt, daß er als Opfer dasteht und Sie als Betrügerin.«
»Natürlich hat er es geplant. Und jetzt wird mir kein Mensch auf der ganzen Welt mehr glauben.«
»Ich muß zugeben«, sagte Garibaldi ernst, »der Mann ist gut.«
»Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch«, fuhr Havers fort, »ich erhebe keinerlei Anschuldigungen. Mir wäre nichts lieber, als von Dr. Alexanders Unschuld überzeugt sein zu können. Aber wir müssen uns fragen: Wo ist sie? Und warum geht sie nicht an die Öffentlichkeit, um sich zu verteidigen?«
»Da haben wir es! Er pokert. Er hat sich das alles einfallen lassen, um Sie aus dem Versteck zu locken«, sagte Garibaldi. »Er hofft, ich werde mich über diese Verleumdungen so aufregen, daß ich unüberlegt handle und einen Fehler mache. Darauf wartet er jetzt.«
Der Reporter mit dem Mikrophon wandte sich an die Frau neben Havers. »Mrs. Havers, was sagen Sie dazu?« Die schlanke, aschblonde Frau antwortete: »Ich bin sprachlos. Miles hatte mir nicht einmal gesagt, daß er heimlich verhandelt, um die Schriftrollen zu kaufen. Ich hatte natürlich von dem sensationellen Fund gehört. Wir hofften alle, sie würden eine bestimmte Botschaft enthalten. Und jetzt…« Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Es ist eine große Enttäuschung.« Catherine schaltete den Fernseher ab und griff nach der Zeitung. Sie betrachtete noch einmal aufmerksam die Abbildung des Fragments der Handschrift. Plötzlich sagte sie: »Moment mal…« Sie ging mit der Zeitung zum Tisch und hielt sie unter das Licht. »Was ist?«
Catherine öffnete die blaue Tasche und nahm behutsam den Buchdeckel heraus, der als Schutz der gefalteten Schriftrollen gedient hatte. Sie schlug den Buchdeckel auf. Darin lag die untere Hälfte des Jesus-Fragments. Catherine hielt die Zeitung daneben. »Sehen Sie sich das an«, sagte sie.
Garibaldi beugte sich darüber. »Was soll ich mir ansehen?«
»Das Fragment in der Zeitung. Achten Sie auf den unteren Rand. Vergleichen Sie ihn mit dem oberen Rand meines Papyrus.« Er betrachtete beides. »Sie passen nicht zusammen«, erklärte er. »Dieses Fragment«, sagte sie und wies auf die Zeitung, »ist nicht das Fragment, das ich im Zelt zurückgelassen habe.«
»Nein?«
»Die Wissenschaftler lügen nicht! Sie haben eine Fälschung begutachtet! Es handelt sich nicht um das Dokument, das ich zurückgelassen habe, nicht um den Papyrus, den Hungerfords Männer gefunden haben, sondern um eine Fäschung!«
»Sie meinen, Papazian hat das Fragment kopiert, bewußt eine Fälschung hergestellt und dann behauptet, Sie hätten ihn dafür bezahlt. Aber wo ist dann das echte Fragment?«
»Wer weiß? Der Austausch kann auf hoher Ebene veranlaßt worden sein – vielleicht hat auch mein Assistent Samir etwas damit zu tun.
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