Die Prophetin
Möglicherweise ist der Regierung überhaupt nicht bewußt, daß der Papyrus vertauscht worden ist. Papazian hat vielleicht einen Beamten bestochen, damit er das Original durch die Fälschung ersetzt.«
»Sie meinen, im Auftrag von Havers?«
»Ja…«
»Es wird schwer sein, das zu beweisen. Es sei denn, Sie melden sich zu Wort und kontern mit Ihrem Verdacht…«
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Catherine, ging an die Tasche und holte ihr Adreßbuch heraus. »Bevor ich vom Sinai abgereist bin, habe ich einem Freund in Zürich ein kleines Stück des Papyrus geschickt. Er heißt Hans Schüller und arbeitet in einem Institut, das Altersbestimmungen nach der Radiokarbonmethode durchführt.« Sie blätterte die Seiten durch, bis sie die Telefonnummer gefunden hatte. »Nur Daniel wußte davon«, sagte sie und ging zum Telefon. »Ich habe Schüller gebeten, nichts zu sagen. Ich weiß, ich kann mich auf ihn verlassen…«
»Wollen Sie ihn anrufen?«
»Ich versuche es im Institut.«
»Es ist Weihnachten.«
Der Apparat am anderen Ende klingelte ein paarmal, dann legte sie auf. »Sie haben recht.«
»Haben Sie seine Privatnummer?«
»Nein, aber die bekomme ich bestimmt bei der Auskunft.« Ihr Gespräch mit Schüller fünf Minuten später war kurz. »Ja, Hans«, sagte sie, »so muß es wohl sein. Ich bin sicher, es ist unterwegs verlorengegangen.
Das kommt vor. Wie bitte?« Sie sah Garibaldi an. »Wo ich bin?« Sie legte schnell auf. »Havers hat ihn gekauft.«
»Aber wie kann er von Schüller gewußt haben?«
»Ich muß in Daniels Wohnung etwas über ihn gesagt haben. Die Männer von Havers haben damals in Santa Barbara alles abgehört.« Sie rieb sich den Nacken und lockerte Kopf und Schultern mit kreisenden Bewegungen. Plötzlich fühlte sie sich sehr müde. »So, Sie gehen jetzt hinunter zum Essen und feiern mit den anderen Weihnachten.«
»Nein, ich bleibe bei Ihnen.«
»Mrs. O’Toole wäre sehr enttäuscht, und es könnte jemand Verdacht schöpfen. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Jeden Tag gibt es neue Sensationsmeldungen. Die Öffentlichkeit wird mit diesem Fall in Atem gehalten. Warum nur schießen alle auf mich…?«
»He«, sagte er sanft und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Es wird schon gutgehen. Hier findet uns niemand. Und bald ist alles vorbei.«
Und dann werden wir uns trennen.
»Ich arbeite weiter an der Übersetzung. Je schneller wir zum Ende kommen, desto besser.«
»Sind Sie sicher, daß alles in Ordnung ist?«
»Keine Angst, Vater Garibaldi«, sagte sie. »Auch wenn ich noch so wütend bin, sind Miles Havers die Hände gebunden. Er kann nichts sagen, was mich dazu bringen würde, etwas Unüberlegtes zu tun.«
Malibu, Kalifornien
Julius suchte eine Telefonzelle in einem kleinen Einkaufszentrum an der Küstenstraße. Als er einen freien Apparat fand, wählte er schnell und griff nach seinem Zettel. Er hatte sich aufgeschrieben, was er sagen wollte. Die Zeit war knapp. Es war ihm gelungen, den Mann im weißen Wagen abzuschütteln. Aber er wußte nicht, wie schnell der Aufpasser seine Spur wiederfinden und ihm hierher folgen würde. Während er darauf wartete, daß jemand am anderen Ende den Hörer abnahm, überlegte er, ob es möglich sei, einen Anruf aus einer öffentlichen Telefonzelle zu lokalisieren.
Auf alle Fälle behielt er die Straße im Auge, und als sich schließlich eine Frauenstimme meldete, sagte er klar und deutlich: »Ich möchte eine Nachricht für eine Besucherin hinterlassen, die bald zu Ihnen kommen wird. Hören Sie? Ja gut, ich buchstabiere den Namen…«
Beim Sprechen nahm er die Zeitung, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, und legte sie auf die kleine Ablage unter dem Apparat. Selbst jetzt, Stunden, nachdem er die Schlagzeile gesehen hatte, empfand er noch den Schock. Eine Fälschung! Wie konnten die Schriftrollen gefälscht sein? Er hatte sie mit eigenen Augen gesehen und hätte schwören können, daß sie echt waren. Catherine kannte sich auf ihrem Spezialgebiet aus. Sie hätte Fälschungen erkannt.
»Würden Sie es bitte wiederholen?« sagte er ins Telefon. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Frau in der Zentrale am anderen Ende seine Nachricht richtig notiert hatte, legte Julius auf und blickte auf die Uhr. Camilla Williams von Augenzeugen hatte ihm zugesagt, daß das Interview am nächsten Tag gesendet werden würde – landesweit. Das war die einzige Bedingung gewesen, unter der er sich zu dem Gespräch bereit erklärt
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