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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Sippe zum Weg des Gerechten zu bekehren.
    Und so, liebe Schwestern, wurde ich eine Germanin. Seid bitte nicht entsetzt. Viele von euch sind Frauen römischer Offiziere. Ihr habt die gleichen falschen Vorstellungen und Vorurteile, wie ich sie vor langer Zeit hatte. Ja, es ist die Wahrheit: Ich lebte bei den Barbaren und wurde eine von ihnen.
    Als ich viele Jahre nach dieser Schlacht das erste Mal in die Nähe eines Römers kam, überquerten wir während eines kurzen Friedens den Rhein, um die Bäder im Westen aufzusuchen, die man ›Aquae Grani‹ nennt. Der Römer sah mich seltsam an, denn ich war kleiner als meine germanische Sippe und hatte dunkle Haare. Doch dieser zierliche, dunkelhaarige Römer schien mir jetzt ein Fremder zu sein.
    Ich wollte nicht mit ihm sprechen. Ich hatte ihm nichts zu sagen.
    Als wir in den Quellen von Aquae Grani badeten, und das Wasser die Leiden linderte, die das Leben in den Wäldern nach sich zog, dachte ich an meinen Sohn Pindar. Ich betete, daß er, falls er noch lebte, glücklich und ein Anhänger des Gerechten war. Dann dachte ich an Philos und wurde traurig, denn er hatte nie die unsterblichen Riesen gefunden oder der Menschheit das Wissen um das ewige Leben zurückgeben können. Wenn er doch nur den Sturm überlebt hätte! Wenn er doch nur mit mir in den Wäldern gewesen wäre, denn dort, liebe Perpetua, fand ich endlich die Antworten auf alle meine Fragen…

    Aachen, Deutschland

    »›Aquae Grani‹?« hatte der Mann an der Rezeption im Detmolder Hof gesagt. »Römische Bäder im Westen? Das muß Aachen sein. Die Römer waren vor zweitausend Jahren dort.« Und so war Catherine nach ihrem Besuch im Teutoburger Wald in die westlichste Stadt Deutschlands an der Grenze zu Belgien gefahren. Aachen, das Aix-la-Chapelle Karls des Großen, war eine moderne Großstadt mit einem mittelalterlichen Kern. In der Mitte der Stadt befand sich ein majestätischer Dom. Catherine stand auf dem Kopfsteinpflaster einer Straße, die vor zwölfhundert Jahren gebaut worden war. Der Dezemberwind jagte durch die Häuserzeilen, als habe er es eilig, irgendwohin zu kommen. Sie blickte auf die gotischen Türme, die in den grauen Winterhimmel ragten, und betrachtete staunend die eigenartige karolingische Kuppel und die Bunt-glasfenster, die mehr als fünf Stockwerke hoch zu sein schienen. Es war ein altes, würdiges, zeitloses und einem wahrhaft erhabenen Gott geweihtes Monument.
    Catherine fühlte sich gegen ihren Willen getrieben, über die Straße zu gehen und die Stufen hinaufzustei-gen, die zu dem mächtigen Portal führten.
    Als sie zögernd am Eingang des Doms stand und in das halbdunkle Innere blickte, wo zahllose Kerzen brannten, stellte sie fröstelnd fest, daß auch die Luft alt war, als hätten sich die Steine Schicht um Schicht um ein Stück Zeit aufgetürmt und es umschlossen, damit sie nicht entfliehen konnte. Abgesehen von elekt-rischem Strom war die moderne Zeit bestimmt niemals in diesen sakralen Raum vorgedrungen.
    Sie dachte an die Kirche in Washington, in die sie mit Garibaldi zur Mitternachtsmesse hatte gehen wollen.
    An den Stufen war sie wieder umgekehrt. Jetzt, das wußte sie, würde sie nicht umkehren.
    Ist Sabina hier an dieser Stelle gewesen? Hat Freidas Sippe hier, an dieser Stelle, wo jetzt der Dom steht, ihr Lager aufgeschlagen? Liegen Freida, Sabina und Sigmund vielleicht hier in dieser geweihten Erde begraben?
    Doch der Dom war Jahrhunderte später gebaut worden. Sabina berichtete von einer anderen Zeit.
    Catherine fürchtete sich unbestimmt vor dem, was sie hier vielleicht finden, und vor dem, was sie vielleicht nicht finden würde. Aber ihre Beine hatten plötzlich einen eigenen Willen und trugen sie über die Schwelle.
    Mit klopfendem Herzen trat sie durch das hohe Portal.
    Vor dreizehn Jahren hatte sie geschworen, nie mehr eine katholische Kirche zu betreten. Nun stand sie in diesem Dom, spürte, wie der Atem der alten und der neuen Zeit sie erfaßte und tiefer und tiefer in die Ka-thedrale zog, in der noch immer die Gebete, das Flehen, das Hoffen und das Vertrauen des Glaubens von zwölf Jahrhunderten wie ein Echo widerhallten. Catherine ging zum Oktagon, und als sie nach oben blickte, überkam sie eine so überwältigende, kindliche Ehrfurcht, daß ihr der Atem stockte.
    In der Mitte der Kuppel hing an einer langen Kette ein mächtiger vergoldeter Kupferleuchter. Über ihn neigten sich wie ehrfürchtige Betrachter endlose steinerne Bögen, die auf kunstvoll

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