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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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leid, daß ich Sie getäuscht habe.«
    »Schon gut«, sagte sie. »Ich bin Ihnen nicht mehr böse. Ich weiß, Sie haben getan, wozu Sie verpflichtet sind.« Er nahm ihre Hand und drückte sie an seine Lippen. Catherine blickte in seine blauen Augen und tauchte in ihre Tiefen, um die dunkleren Ströme zu erforschen, die sie dort entdeckt hatte. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Handfläche. Sie sah, wie sich seine Pupillen weiteten, und sie sah den Konflikt, in dem er lebte. Seine Leidenschaft trieb ein böses Spiel mit ihm. Der Priester, der er sein wollte, konnte den Mann nicht unterdrücken, der er war.
    »Im Dom«, sagte sie schließlich, »habe ich meinem Vater endlich vergeben. Sie hatten recht. Ich mußte es tun. Und das müssen Sie ebenfalls. Sie müssen dem Sechzehnjährigen, der Sie einmal waren, verzeihen, daß er einen sinnlosen Mord nicht verhindert hat.«
    »Ach Catherine…« Er seufzte und wandte sich ab. »Das ist es nicht. Ich muß nicht mir selbst verzeihen!
    Verstehen Sie das nicht? Ich bin nicht das Problem.« Er sah sie wieder an. »Er ist es! Auf ihn bin ich böse, und ich muß ihm verzeihen.« Catherine wußte, von wem er sprach. Nicht von dem Junkie, der den Mord begangen hatte, sondern von dem alten Mann hinter der Ladentheke.
    »Er stand einfach da«, sagte Garibaldi aufgewühlt. »Er stand da wie ein stummes Tier und flehte mich mit den Augen an, etwas zu unternehmen. Und als ich mich nicht von der Stelle rührte, veränderte sich sein Ausdruck. Er sah, daß ich ein Feigling war. Und in seinen Augen stand Abscheu. Als die Kugeln den alten Mann in die Brust trafen, sah er mich mit so tiefer Verachtung an, daß ich ihn haßte. Ich haßte ihn, weil er wußte, daß ich ein Feigling bin. Ich haßte ihn, weil er mich mit seinen Augen anklagte. Und Gott helfe mir, ich hasse ihn immer noch.«
    Seine Stimme stieg zu der Balkendecke empor und hallte dort lautlos wider. Dann wurde es still. Catherine flüsterte: »Vergeben Sie ihm, Vater Garibaldi…«
    »Vergeben?« rief er. »Was soll ich ihm vergeben? Daß er die Wahrheit gesehen hat? Ich war ein Feigling.
    Ich versuche seit dieser Zeit, meine Feigheit wiedergutzumachen.«
    »Sie wollen kein Priester mehr sein, weil Sie das für eine ehrliche Lösung halten? Sie wollen sich beweisen, daß Sie kein Feigling sind. Vielleicht ist das die zweite Chance, um die Sie gebetet haben. Es ist eine Prüfung. Ich meine, wenn Sie Ihr Priestertum aufgeben, haben Sie diese Prüfung nicht bestanden. Gott vergibt allen, die zu ihm zurückfinden. Das haben Sie mir gesagt.«
    »Sie glauben nicht an Gott.«
    »Nein, aber ich glaube an die Macht der Vergebung. Sabina hatte recht. Wenn wir vergeben, ist das wie eine Befreiung, und wir sehen wieder klar. Wir können Unsicherheit und alle Verwirrungen überwinden.
    Vergeben Sie dem alten Mann, Vater Garibaldi, und Sie werden erkennen, daß Sie Priester bleiben müssen.«
    » Ich soll dem alten Mann vergeben, wie Sie Ihrem Vater vergeben haben?«
    »Ja.«
    »Das heißt, Sie haben zur Kirche zurückgefunden? Sind Sie wieder Katholikin?«
    »Nun ja, nein…«
    »Sehen Sie? So einfach ist das nicht. Es genügt nicht, einfach zu vergeben.«
    »Vater Garibaldi, ich glaube nicht an Gott. Aber Sie sind ein gläubiger Mensch!«
    »Ich zweifle jedoch daran, daß ich würdig bin, Gott zu dienen. Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt des Problems.«
    »Nein.« Sie lächelte. »Diesmal kämpfen wir in derselben Arena gegen denselben Gegner.«
    Er faßte sie an den Schultern. »Sie würden für mich kämpfen?«
    »Ja…«
    Plötzlich küßte er sie auf den Mund.
    Catherine schlang die Arme um seinen Hals, während er sie an sich drückte und dabei wie ein Ertrinkender festhielt. Der Kuß wurde leidenschaftlicher. Sie klammerten sich aneinander, als hätten sie Angst, wieder getrennt zu werden. Er legte die Hand auf ihren Nacken und fuhr mit den Fingern durch ihr kurzes, blondes Haar.
    Catherine knöpfte sein Hemd auf und schob es über die Schultern, zog die Ärmel nach unten und ließ es zu Boden fallen. Zitternd legte sie die Hand auf seinen Oberkörper und überließ sich dem Gefühl seiner glatten Muskeln. Als sie die noch nicht ganz verheilte Wunde an seinem linken Arm berührte, dachte sie an den Tag in Santa Barbara. »Tut es noch weh?« flüsterte sie. »Nein.«
    Sie küßte die Wunde, die der Streifschuß hinterlassen hatte. Das alles schien in einer anderen Welt, in einem anderen Leben gewesen zu sein.
    Seine

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