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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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dachte sie, dann trägt er unter dem weißen Priesterkragen bestimmt ein blaues Arbeiterhemd. »Tut mir leid.« Catherine nickte. »Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Ich habe nach Ihnen Ausschau gehalten, um mich zu bedanken. Aber Mr. Mylonas sagte, Sie seien in der Stadt. Haben Sie ihre E-Mail später noch senden können?« Er lächelte wieder. »Ja, ein paar Stunden später.« Sie dachte an die Papyri, die ungeschützt auf ihrem Arbeitstisch im Zelt lagen. »Es ist spät«, sagte sie. »Gute Nacht.«
    »Darf ich Sie noch etwas fragen?« Er trat einen Schritt auf sie zu. »Im Hotel haben Sie gesagt, daß Sie nicht auf die Gunst eines Priesters angewiesen sein möchten.«
    »Das war nicht persönlich gemeint.«
    Er hob die Schultern. »Nun ja, die Bemerkung hat mich neugierig gemacht. Leute, die mit dem Katholizismus nicht vertraut sind, haben manchmal…«
    »Ich bin katholisch aufgewachsen, Vater Garibaldi. Ich habe zwölf Jahre lang eine katholische Schule besucht. Dann bin ich aus der Kirche ausgetreten.«
    »Ach…« Er nickte. »Aber Sie waren einmal eine gläubige Katholikin?«
    »Ja, früher…«
    Das war schon lange her. Sie würde Garibaldi nichts von Vater McKinney und dem Abend erzählen, an dem ihre Mutter gestorben war.
    »Gute Nacht…«
    Sie reichte ihm die Hand. Er drückte sie fest. Als sie den Kopf hob, und ihre Blicke sich trafen, empfand Catherine blitzartig eine Verbundenheit mit ihm, die sie verblüffte und gleichzeitig erregte.
    »Wenn Sie einmal nach Chicago kommen sollten…« Sie zog schnell die Hand zurück und murmelte verlegen: »Gute Nacht, Vater.«
    Er räusperte sich und erwiderte: »Dr. Alexander, ich wünsche Ihnen, daß Sie das, was Sie suchen, hier finden werden.« Catherine sah ihm nach. Sie verstand die seltsame Faszination nicht, die er auf sie ausübte.
    Sie ärgerte sich darüber, und sie ärgerte sich, weil sie das Ganze zugelassen hatte. Plötzlich wurde ihr be-wußt, daß sie den Fremden regelrecht haßte. Warum?
    Immerhin hatte er ihr aus freien Stücken den Computer überlassen. Sie holte tief Luft und dachte nach.
    Nach einer Weile konnte sie sich die Antwort eingestehen. Beim ersten Anblick im Büro des Hotels hatte sie als Frau auf einen gutaussehenden Mann reagiert. Dann, als er sich umdrehte, bemerkte sie den Priesterkragen und fühlte sich irgendwie betrogen.
    Auch jetzt, nachdem sie wußte, daß er ein Priester war, reagierte sie auf seine Männlichkeit. Es war ihr nicht möglich, in ihm nur einen Priester zu sehen wie in Vater McKinney oder Vater Ignatius. Diese beiden waren für sie nie Männer gewesen. Garibaldi hatte sich ihr vom ersten Augenblick an als Mann und erst in zweiter Linie als Priester präsentiert. Irgendwie fand sie das beunruhigend.
    Als Catherine den Reißverschluß schließen wollte, sah sie flüchtig am Rande der Ausgrabung etwas Gro-
    ßes, Unförmiges aufragen. Mit Entsetzen stellte sie fest, daß es ein Beduinenzelt war. Bei Sonnenuntergang hatte es noch nicht dort gestanden.

    Santa Fe, New Mexico

    »Wir sind am Ziel, Mr. Havers.«
    »Gut«, antwortete Miles und ging mit dem Funktelefon außer Hörweite der anderen. Die Familie war gerade dabei, den Weihnachtsbaum zu schmücken.
    Miles hatte zugesehen, wie Erika mit den Enkelkindern beriet, an welche Stellen die bunten Glaskugeln von den geduldigen Dienstboten an die riesige Douglasfichte gehängt werden sollten. Die Kleinste kauerte vor der Krippe unter dem Baum und hatte plötzlich gerufen: ›Aber wo ist das Baby?‹ Erika hatte gelacht, ihre entzückende Enkeltochter in die Arme genommen und geantwortet: ›An Weihnachten wird der kleine Jesus in der Krippe liegen! ‹
    Miles lächelte noch immer, aber dann wurde er ernst und sagte ins Telefon: »Wenn Sie die Kontaktperson treffen, machen Sie kurzen Prozeß. Lassen Sie sich nicht auf irgendwelche Spielchen ein. Ich wünsche kein Feilschen. Entweder Sie einigen sich oder Sie schalten den Mann aus. Nehmen Sie die Ware an sich und verschwinden Sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden wieder aus dem Land.«
    Aus Miles sprach der Tiger – die Bestie war vor vielen Jahren an einem Tag geboren worden, an dem sich sein Leben von Grund auf verändert hatte.
    Der Tiger in ihm war sprungbereit, er witterte Gefahr und lauerte auf Beute. Der Tiger war seine Intuition.
    Das Raubtier in ihm knurrte jetzt hungrig.
    »Hören Sie«, sagte Miles ruhig in den Hörer, »schalten Sie den Mann aus, auch wenn Sie sich mit ihm einigen sollten. Niemand

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