Die Prophetin
anzugrinsen schien. Bei diesem Anblick hatte der Zollbeamte darauf verzichtet, noch mehr von ihrem Gepäck zu sehen. Genau das hatte Catherine gehofft. Der Autor des Buches war Julius Voss. Es war seine neueste Veröffentlichung, die er Catherine stolz nach Ägypten geschickt hatte. Sie hatte jedoch noch keine Zeit gehabt, das Buch zu lesen. Beim Einpacken vor der Flucht entschloß sie sich, den Umschlag als Tarnung für die Schriftrollen zu benutzen. Sie entfernte alle Seiten eines alten botanischen Handbuchs und legte die sechs Papyri zwischen die Buchdeckel. Der Umschlag paßte genau. Bei flüchtigem Hinsehen konnte man glauben, es sei ein Buch mit vergilbten Seiten. Jedenfalls war so sichergestellt, daß die Schriftrollen die lange Reise unversehrt überstehen und auch bei einer Zollkontrolle nicht weiter auffallen würden. Catherine nahm sich Zeit, Gesicht und Hände zu waschen, bevor sie den Gepäckwagen durch die Tür schob, um den Anschlußflug nach Los Angeles zu erreichen.
Aber als sie an die Glastüren kam, hinter denen die überfüllten Zubringerbusse die Reisenden durch die verschneite Nacht zu den anderen Terminals brachten, hörte sie über die Lautsprecher eine Meldung.
»Achtung! Achtung! Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit! Infolge des Schneesturms werden alle Flüge vorübergehend eingestellt. Weitere Informationen erteilt Ihnen Ihre zuständige Fluggesellschaft.«
Santa Fé, New Mexico
»Ich habe sie gefunden, Mr. Havers!«
Miles stellte den Lautsprecher des Sprechgeräts sofort lauter. »Wo ist sie?«
Teddy Yamaguchi hatte sich aus dem großen Computer-Zentrum des Anwesens gemeldet, das sich neben dem unterirdischen Museum befand. »Sie hat Kairo in Richtung Amman verlassen und ist von dort nach New York geflogen. Vor zwei Stunden ist sie angekommen.«
Miles blickte auf die Uhr. Es war neun Uhr abends, das bedeutete Mitternacht an der Ostküste. »Ist sie bereits auf dem Weg nach Kalifornien?«
»Wegen eines Schneesturms sind alle Flüge storniert worden. Dr Alexander muß also entweder im Flughafen warten oder sie verbringt die Nacht in einem der Flughafenhotels.« Miles nickte stumm und beendete mit einem Knopfdruck das Gespräch. Dann wählte er eine andere Nummer.
Der vierte Tag
Freitag, 17. Dezember 1999
Malibu, Kalifornien
»Der Gesichtsausdruck läßt darauf schließen, daß er den Tod nicht kommen sah. Die Beschaffenheit des Körpers macht jedoch eine genaue Bestimmung der Todesursache nicht möglich.« Julius hielt das Diktiergerät an. Es half alles nichts. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Seit Catherines Anruf am späten Abend und der überraschenden Nachricht, daß sie sich bereits in New York befand und nach Kalifornien kommen wollte, sobald der Schneesturm vorüber war, konnte er nur noch daran denken, daß er sie wiedersehen würde.
Er verließ seinen Platz am Schreibtisch, auf dem sich wie immer die Arbeit häufte, und trat zur Glastür.
Draußen peitschte der Regen auf die Terrasse. Dahinter wogte das stürmische graue Meer. Wieder einmal jagte ein Sturm über Malibu hinweg. Julius liebte Regen, aber um Catherines willen wäre ihm Sonnen-schein im Augenblick lieber gewesen. Er wußte, sie war gern am Strand, und es gab für sie nichts Schöneres, als in der Brandung zu schwimmen.
Es erschien ihm wie ein Wunder, daß sie es sich anders überlegt hatte und über die Feiertage doch nach Kalifornien zurückkam. Das Chanukkah-Fest war zwar vorüber, aber es gab schließlich noch Weihnachten und Silvester. Aus Anlaß der Jahrtausendwende wurde auch in Malibu überall gefeiert, und es fanden alle möglichen Veranstaltungen statt.
Vielleicht würde Catherine aber vorziehen, mit ihm allein hier in seinem Strandhaus zu bleiben. Das wäre ihm am liebsten… Und doch verstand er ihren plötzlichen Entschluß nicht. Warum hatte sie ihre Grabungs-arbeiten von einem Tag auf den anderen unterbrochen? Ihn wunderte auch, daß sie erst aus New York angerufen hatte und nicht schon aus Ägypten. Sie hatte am Telefon glücklich und aufgeregt geklungen und nur gesagt, sie habe wundervolle Neuigkeiten. Vielleicht wollte sie ihn überraschen. Durfte er sich Hoffnungen machen, daß sie doch beschlossen hatte, ihn zu heiraten?
Bei ihrem Telefongespräch vor einer Woche schien dieses Thema bereits entschieden zu sein.
»Ich kann dich nicht heiraten, Julius«, hatte sie über das Knacken und Rauschen in der Leitung aus dem Sinai hinweg gesagt. »Es gibt einfach zu
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