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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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»Shit, jetzt habe ich mich geschnitten.« Milton wird wütend. Er will endlich weiter.
    Grace fragt: »Warum hast du es so eilig? Wir werden sowieso Wochen dort oben verbringen. Da kommt es auf ein paar Minuten nicht an. Also stellt euch in einer Reihe auf, ich werde uns auf der Wand verewigen.«
    Mark zieht mich nach vorne.
    Ein seltsames Gefühl überfällt mich, als Grace direkt vor mir steht und meinen Umriss zeichnet. Ich fühle mich plötzlich Tausende von Jahren zurückversetzt.
    Grace: »Und jetzt, Paul, malt Eliza uns beide, wie sich unsere Hände berühren. Paul?«
    Ihre Stimme hallt im Tunnel nach. Das Gebälk knirscht. Gesteinsbrocken und Staub rieseln auf uns hinab.
    »Paul?«
    »Paul? Paul, wo bist du?«

Kapitel 3
    Die Sonne brannte durch die großen Fensterscheiben wie ein monströser Scheinwerfer und heizte die stickige Luft des Raums derart auf, dass Katie fürchtete, jeden Moment umzukippen. Sie fühlte sich so eingeengt, als ob ihr ein zu kleiner BH die Luft abschnürte, und sie sah an den Gesichtern der anderen Studenten, dass es offenbar nicht nur ihr so ging.
    Wie konnte Jay Bauer von ihnen verlangen, bei diesem blauen Himmel in dieser Sardinenbüchse zu sitzen und seinen Ausführungen zu lauschen?
    Jay Bauer gehörte zur Kategorie von Dozenten, die das Studium mit modernem Management verwechselten. Er war um die dreißig, seine Glatze glänzte, als hätte er sie mit Politur behandelt, sein Humor war so gering wie der Alkoholgehalt von Muttermilch und seine Miene so ernst, als verkünde er den Bankrott der Bank of Canada. Jeder im Tal wusste, dass er nach einem Professorenposten schielte, und vielleicht verstand er genau deshalb keinen Spaß.
    Etwa zwei Meter weiter links entdeckte Katie einen schwarzen Punkt auf dem Fußboden. Sie kniff die Augen zusammen und starrte ihn an.
    Eine Ameise …
    Ameisen waren zum Großteil genauso dumm wie die Studenten hier im Raum. Bis auf diese eine. Sie hatte sich ganz offensichtlich der Diktatur ihres Volkes entzogen und versuchte, sich alleine im Tal durchzuschlagen.
    Stopp.
    Das war nicht möglich.
    Im Tal gab es keine Tiere – außer der schwarzen Dogge von Professor Brandon. Weder Säugetiere noch Insekten. Keine Bären, keine Weißkopfseeadler, keine Murmeltiere – und keine Ameisen. Nur Vögel, doch selbst sie schienen an der Grenze zum Tal kehrtzumachen.
    Katie beugte sich vor. Neben ihr saß Robert, Julias kleiner Bruder, das Genie am Grace. Er fixierte einen Punkt irgendwo vor den Fenstern. Robert war strange – und Katie musste zugeben, dass sie aus ihm nicht wirklich schlau wurde. Mit seiner Harry-Potter-Brille und seinen jungenhaften Gesichtszügen schien er viel eher auf die Highschool zu gehören als an ein College. Aber sie wusste, dass Professor Vernon, der Leiter des Mathematik-Departments, so große Stücke auf Robert hielt, dass er ihn oft zu sich nach Hause einlud und mit ihm über Probleme diskutierte, die an Universitäten der ganzen Welt erforscht wurden.
    Katie hatte sich schon oft gefragt, wie Robert die Welt sah. Erschien sie ihm vielleicht in Zahlen – oder in abstrakten, geometrischen Formen?
    Wobei – Formen hin, Zahlen her – für die arme Ameise schien das Wunderkind keine Augen zu haben. Dafür bewegte Robert den Fuß immer weiter nach links. Nur noch ein Zentimeter und – klatsch, die Ameise wäre nicht mehr länger dreidimensional, sondern total platt.
    Katie beugte sich unter die Bank und schob sich an Roberts Beinen vorbei.
    »Beweg dich nicht, Robert.«
    Doch genau das tat er. Sein Fuß hob sich und … Katie hielt ihn fest.
    Sie streckte die Hand aus und berührte den winzigen Fleck. Er blieb an ihren Fingern kleben. Nein – keine Ameise. Nur ein winziger rötlich brauner Stein. Sie hatte sich getäuscht.
    Ihr Kopf erschien wieder über der Bank. Jay Bauer funkelte sie an, doch sie zuckte lediglich mit den Schultern.
    »Was ist los?«, flüsterte Robert.
    »Nichts.«
    Sie legte den Stein auf die Bank.
    »Was ist das?«
    »Dreck«, erwiderte sie und gleich darauf schnitt Bauers Stimme durch den Raum.
    »Haben Sie etwas zu dem Thema zu sagen, Miss West?«
    »Eigentlich nicht«, erwiderte sie, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
    Der Dozent fuhr in seinen Ausführungen fort. »Je dichter der Baumbestand ist, desto weniger dringen die Sonnenstrahlen bis zum Boden durch. Die Nadelbäume besitzen deshalb eine …« Jay Bauers Zeigefinger schwebte über dem Touchscreen-Display des Hightech-Rednerpults. Auf

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