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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Kloster St. Sepulchre verließ. Wir gelangten ohne Zwischenfall nach Dartford zurück. Über Wochen und Monate hatte ich keinen Kontakt zu Botschafter Chapuys. Ich plante mein neues Leben – ich wollte heiraten und endlich meine Tapisseriewerkstatt in Gang bringen. Der Winter ging vorüber, und der Frühling brachte die Hoffnung auf ein normales Leben.
    Bis zu einem Tag im April, als ich erkannte, dass mein Leben niemals normal sein würde.
    Den größten Teil des Tages verbrachte ich am Webstuhl. Dank unseren unermüdlichen Anstrengungen war die Phönix-Tapisserie nahezu vollendet. Der rotgoldene Körper des mythischen Vogels hatte Gestalt angenommen. Der Schnabel, dem eines Adlers ähnlich, war durchaus stolz zu nennen; das Gefieder schimmerte in violetter und grüner Pracht. Doch jetzt musste das untere Viertel des Bildteppichs gefertigt werden, das Schwierigste von allem: züngelnde Flammen rund um das Nest des gewaltigen Vogels. Wir mussten mit höchster Genauigkeit arbeiten, wenn wir nicht das ganze Werk ruinieren wollten.
    »Achtet genau auf die Bindung«, drängte ich Schwester Beatrice und Schwester Agatha, die rechts und links von mir am Stuhl saßen. Schwester Winifred saß etwas abseits und las uns aus der Geschichte der Märtyrer vor. Ich hatte mir die größte Mühe gegeben, unsere kleine Werkstatt so einzurichten wie unsere frühere im Kloster. Ich ermahnte die anderen nicht gern, doch in letzter Zeit zeigten beide eine Neigung zur Nachlässigkeit. Sie verloren sich in ihren Tagträumen – was vielleicht nicht so verwunderlich war, da beide bald heiraten wollten. Schwester Agathas Hochzeit mit Oliver Gwinn war in nur drei Tagen. Sie sollte am 20. April stattfinden. Schwester Beatrice und Geoffrey Scovill würden sich im Juni das Jawort geben.
    Meine Hochzeit mit Bruder Edmund war für den 16. Mai geplant, dann würde ich Joanna Sommerville werden.
    Schwester Agatha hätte wahrscheinlich so kurz vor ihrer Hochzeit überhaupt nicht am Webstuhl sitzen sollen, aber sie wollte essich nicht nehmen lassen, uns zu helfen. Es war ihre Art, mir dafür zu danken, dass ich ihr in meinem Haus Gastfreundschaft gewährte. Die anderen Schwestern hatten ihre Verlobung mit Oliver Gwinn mit Unwillen aufgenommen. Sie betrachteten sie als eine Missachtung ihrer Vereinbarung, als Bräute Christi zusammenzuleben. Ich konnte sie verstehen, doch ich hatte auch Verständnis für Schwester Agatha. Deshalb hatte ich sie eingeladen, bis zu ihrer Hochzeit bei Arthur und mir zu leben.
    Schwester Beatrice war durch ihre bevorstehende Heirat am meisten verändert. Sie strahlte vor Glück. Natürlich freute ich mich für sie, das war unter den Umständen die einzig angemessene Reaktion.
    Von der Straße hörten wir vergnügtes Geschrei, gleich darauf ging die Tür auf, Bruder Edmund brachte Arthur von seiner täglichen Unterrichtsstunde nach Hause. Arthur im Lesen und Schreiben zu unterrichten, bedurfte unendlicher Geduld. Einzig Bruder Edmund konnte diesem Anspruch genügen.
    »Es war ein guter Tag, ein sehr guter Tag«, sagte er und lächelte in die Runde.
    Ich wurde ruhiger. Meine Ängste verschwanden niemals ganz, doch sie beruhigten sich, wenn Bruder Edmund in meiner Nähe war. Edmund. Wenn ich nur dieses »Bruder« vergessen könnte. Ich wusste selbst nicht, warum das so schwierig war.
    »Ich muss mit einigen Männern aus dem Ort nach London reisen«, erklärte er. »Schwester Winifred, könntet Ihr vielleicht hier, in Joannas Haus, schlafen, solange ich weg bin? Ich hoffe, morgen wieder zurück zu sein.«
    Ich rutschte von meiner Bank am Webstuhl. »Warum müsst Ihr fort?«, fragte ich und bemerkte wohl, wie meine Freundinnen einander zulächelten.
    »Es geht um John«, sagte Edmund. »Wir haben gehört, dass er in London ist und dass es ihm gar nicht gut geht. Sein Cousin sucht Leute, um ihn nach Hause zu holen.«
    Der verrückte John war seit zwei Monaten fort. Er war schon früher ab und zu verschwunden, doch stets nach wenigen Tagenzurück gewesen. Diesmal jedoch hatte er sich nicht wieder blicken lassen, und wir hatten schon alle gefürchtet, er sei irgendwo elend gestorben.
    »Ihr wart immer das Ziel von Johns Beschimpfungen«, sagte ich, »und trotzdem wollt Ihr ihn jetzt zurückholen, damit er Euch weiter quälen kann?«
    »Ich muss versuchen, ihm zu helfen, das versteht Ihr doch?«, entgegnete er.
    »Ja, natürlich.«
    »Er braucht vielleicht Medikamente«, fuhr Edmund fort. »Ich hole sie jetzt aus dem Hospital,

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