Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
näher zu mir. »Die Mutter ist immer noch überzeugte Katholikin, während ihr Sohn, Herzog Wilhelm, dem lutherischen Glauben anhängt.«
Inzwischen ergoss sich ein deutscher Wortschwall über den jungen Gelehrten, und ich erfuhr schließlich, dass die Herzogin der Meinung war, eine Frau wie ich, so gesittet und hochwohlgeboren und mit häuslichen Talenten ausgestattet, müsse unverzüglich verheiratet werden. Nun, da ich keine Nonne mehr sei, müssten sogleich die nötigen Schritte unternommen werden. Wenn ich einverstanden sei, werde die Herzogin mit ihrem zukünftigen Gemahl, dem König, darüber sprechen.
Southampton bekam einen ziemlich roten Kopf, als er mir diesalles mitteilte. Er kannte wie jeder Engländer hier die Sechs Artikel, die ehemaligen Ordensangehörigen die Ehe verboten. Er wartete nervös auf meine Antwort.
»Ich danke der Herzogin für ihre große Freundlichkeit. Doch ich muss mich jetzt meinem kleinen Geschäftsunternehmen in meiner Heimatstadt Dartford zuwenden. Dort wartet eine Tapisserie, die fertiggestellt werden muss und einen Käufer braucht.«
Das führte zu vielen aufgeregten Fragen der Herzogin, die Southampton mir getreulich übermittelte. Das Schiff stampfte und rollte auf seinem Weg zur englischen Küste; mehrere Hofdamen der Herzogin wurden seekrank. Doch Anna von Kleve hielt stand.
Unglücklicherweise kehrte sie zum Thema meiner Verheiratung zurück. »Die Herzogin ist der festen Überzeugung«, berichtete mir Southampton, »dass Ihr Euch verheiraten und eine Familie gründen solltet. Kinder, sagt sie, seien die größte Freude, die einer Frau beschieden sei. Mit Gottes Willen hoffe sie, dem König von England Söhne und Töchter zu schenken. Und sie hofft, er wird dem Wunsch ihrer Familie willfahren, den ersten Sohn nach ihrem Bruder Wilhelm oder William zu nennen.«
Ich blickte in das zarte und offene Gesicht der zukünftigen Königin und empfand nichts als Schrecken.
»Ist Euch nicht wohl, Miss Stafford?«, erkundigte sich Southampton.
»Nein, ich fürchte …«, murmelte ich.
Er übermittelte meine Entschuldigungen und sagte dann, noch ehe ich mich entfernen konnte: »Die Herzogin bittet Euch, sie und ihre Gesellschaft nach Greenwich zu begleiten, wo sie mit dem König zusammentreffen wird. Ist Euch das genehm?«
Ich starrte ihn an.
»Miss Stafford, ist Euch das genehm?«, wiederholte er ungeduldig.
»Ja, natürlich.« Ich versank in einem tiefen Hofknicks und verließ dann die Kabine.
Was sollte ich tun? Der Gedanke, dass Kaiser Karl und seine Verbündeten mein Heimatland nach der Ermordung des Königs unter sich aufteilen würden, war mir unerträglich. Doch nun hatte ich den Beweis, dass die Prophezeiung über Englands Zukunft, sollte Anna von Kleve einen Sohn zur Welt bringen, zutraf.
Wenige Stunden später erreichte unser Schiff kurz vor Sonnenuntergang die englische Küste. Wir legten in Deal an und wurden auf Befehl des Lord Warden of the Cinque Ports nach Deal Castle geleitet. Das ganze Gefolge der Herzogin, zu dem jetzt auch ich gehörte, sollte auf der Festung übernachten. Morgen würden wir nach Dover reisen und von dort weiter nach Canterbury. Ich hatte gehört, dass die Braut des Königs am dritten oder vierten Januar in London erwartet wurde.
Ich reihte mich in den langen Zug von Hofleuten ein, der sich zu dem von Fackeln hell erleuchteten Festungstor bewegte. Eine spärliche Menge, die sich trotz der Kälte eingefunden hatte, säumte unseren Weg, und eine kleine Gruppe örtlicher Würdenträger empfing uns.
Ich erwartete, den Lord Warden zu sehen, doch als wir uns dem Tor näherten, wartete dort ein prunkvoll gekleidetes Paar, ein großgewachsener beleibter Mann mittleren Alters und eine sehr junge Frau. Ich hörte jemanden sagen: »Der Herzog und die Herzogin von Suffolk«, und erinnerte mich, vor einem Jahr im Haus der Courtenays von ihnen gehört zu haben. Catherine Brandon war die Tochter von Maria de Salinas, die den engsten Freund König Heinrichs geheiratet hatte.
Als ich an der Reihe war, knickste ich vor dem Paar und sagte: »Ich bin Joanna Stafford.«
Die junge Herzogin, in einem langen Samtumhang, einen großen Hund an ihrer Seite, warf mir einen erstaunten Blick zu.
»Seid Ihr die Frau, die mit meiner Mutter zusammen Katharina von Aragón betreut hat?«, fragte sie. »Ich würde später sehr gern mit Euch sprechen. Ich habe schon lange den Wunsch, Euch kennenzulernen.«
»Ich stehe jederzeit zu Eurer Verfügung«, antwortete ich
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