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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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fast die Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe verloren. Wenn sie nicht landeten und rasteten, würden sie abstürzen. Ruben wies Alis auf den Waldrand hinter dem Gasthaus hin. Keine Sekunde zu früh, denn als sie im Schutz der ersten Bäume landeten und Ruben abgestiegen war, brach das Tier in die Knie. Alis’ Fell war an den Flanken schweißverklebt und er atmete schwer.
    »Entschuldige.« Ruben klopfte ihm den Hals. »Ruh dich aus und warte hier, bis ich wiederkomme.«
    Alis bog seinen Hals zurück, legte den Kopf auf seine eigene Schulter und schloss die Augen.
    Gebückt wagte Ruben sich aus seiner Deckung. Um das Gasthaus zu erreichen, musste er über ein offenes Feld laufen – er konnte nur hoffen, dass niemand aus den oberen Fenstern sah. Mit klopfendem Herzen erreichte er die Hofmauer, schob sich langsam um deren Ecke bis an das offene Tor heran und spähte hindurch. Dort, zwischen allerlei anderen Wagen und Gerät, stand die Kutsche der Comtesse. Anscheinend wollte sie eine längere Pause einlegen, denn die Pferde waren ausgespannt.
    Noch immer redete Ruben sich ein, nur nützliche Informatio nen auskundschaften zu wollen, aber tief in seinem Inneren wusste er, weshalb er nicht schleunigst so viele Meilen zwischen sich und die Comtesse brachte, wie er nur konnte: Er sehnte sich nach Elisabeth d’Ardevon! Sie verdrängte sogar Olgas Bild aus seinem Herzen. Ruben sehnte sich nach ihrem Lachen, nach ihren Händen, die ihm das Haar aus der Stirn strichen, sogar nach ihrem Hochmut. Vielleicht würde ihm gelingen, durch ein Fenster einen Blick auf sie zu werfen? Nur einen Blick, dann würde er gehen und sich von Alis zum Treffpunkt bringen lassen.
    Vorsichtig betrat er den Hof und war auf halber Strecke zur Hintertür des Gasthofs, als diese aufgestoßen wurde. Ruben erstarrte. Ein Mädchen, zwei klappernde Milchkannen aus Blech in der Hand, ging zum Stall hinüber. Ruben sah sich erschrocken um, denn sie würde genau an ihm vorüberkommen. Neben ihm stand die rote Kutsche. Ohne zu zögern, öffnete er den Schlag einen Spalt weit, schlüpfte hinein und zog leise die Tür hinter sich zu.
    Ein Hauch des Parfums, das die Comtesse benutzte, hing in der Luft. Er kam aus einer Pelzdecke, die auf der Sitzbank lag. Ruben kniete sich auf den Boden, steckte die Nase hinein und schloss die Augen. Er musste sie wiedersehen. Sie würde ihm seine Flucht ver zeihen und ihm wie in Paris mit süßer Stimme von seinen künftigen Ruhmestaten erzählen. Plötzlich konnte er nicht mehr verstehen, wieso er vor ihr geflohen war, sie hatte ihm doch alles gegeben, was sein Herz begehrte.
    Wieder schlug die Hintertür, wieder ging jemand über den Hof. Ruben kroch zum Fenster und spähte zwischen den Vorhängen hinaus. Es war Philippe, der Diener der Comtesse. Blitzschnell kauerte er sich in eine Ecke der Kutsche und zog sich die Pelzdecke über Kopf und Körper. Philippes Schritte kamen immer näher, dann wurde der Schlag geöffnet.
    »He, wer bist du? Und was hast du hier zu suchen!« Die Decke wurde weggerissen und Ruben sah sich dem jungen Diener gegenüber.
    »Ruben? Wo kommst du denn her? Ich meine: Ihr!« Er schrie beinahe, und Ruben legte einen Finger auf den Mund.
    »Sucht Ihr die Comtesse?«, fragte Philippe etwas leiser und neigte sich ins Wageninnere. »Sie hat getobt, nachdem Ihr geflohen wart und geschworen, Euch die Haut in Streifen abzuziehen, wenn sie Euch das nächste Mal begegnet.«
    Rubens Herz begann zu rasen, doch er hatte seine Entscheidung getroffen, er konnte nicht mehr zurück. Er hob das Kinn und kletterte aus dem Wagen. »Bring mich zu ihr.«
    »Mit Verlaub, Euer Gnaden: An Eurer Stelle würde ich bis ans Ende der Welt rennen, so schnell ich kann, und dann immer noch weiter«, murmelte Philippe, aber er führte Ruben ins Haus.
    Drinnen roch es nach gebratenem Fleisch und frischem Brot. Rubens Magen grollte, und er wunderte sich, dass er in solch einem Augenblick hungrig sein konnte. Er stieg hinter Philippe eine enge Holztreppe hinauf, die Stufen knarzten unter ihren Schritten. Am oberen Ende der Treppe ließ Philippe ihm den Vortritt. »Die letzte Türe.« Der junge Diener lächelte verkrampft. »Ihr entschuldigt, dass ich Euch nicht ankündige.«
    Ruben nickte knapp. Den Blick auf die dunkle Holztüre gerichtet, ging er den Korridor entlang. An der Tür zögerte er und atmete tief ein, dann klopfte er an.
    Für einen Wimpernschlag wirkte Elizabeth d’Ardevon überrascht, dann hatte sie sich wieder vollkommen

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