Die Prophezeiung der Steine
hatte, schien es größer zu werden. Sie stellte sich seine Schneide vor, die messerscharfe Klinge, und schauderte.
»Nun?«, fragte er.
Sie erwiderte sein Starren.
Er drehte sich um und ging zur Tür.
»Leof.« Er wirbelte herum und schaute sie an. »Traue
Thegan nicht. Ich bin ihm begegnet. Er mag ein großer Mann sein, aber er ist kein guter Mensch.«
Sein Gesicht verhärtete sich wie nie zuvor. »Thegan ist mein Gebieter, dem ich die Treue geschworen habe. Du wirst nicht noch einmal so über ihn sprechen.«
Sie griffen immer gleich auf Drohungen zurück. Sogar Leof. »Sonst was? Was machst du dann mit mir?«
Seine Züge wurden wieder weicher, und auf einmal sah er aus wie ein Sechzehnjähriger.
»Oh, Leof, pass einfach auf dich auf.«
Stumm ging er zur Tür hinaus.
Sie zog sich an und machte sich auf den Weg zu Gorhams Haus. Dort wurde, es war nicht zu glauben, nach wie vor gefeiert. Sie ging in den Stall und setzte sich zwischen den Rotschimmel und die rotbraune Stute. Sie hätte weinen wollen. Aber der leere Raum in ihrer Brust breitete sich so aus, dass kein Platz mehr für Tränen da war.
Von nun an vermied sie es, sich mit anderen Reitern zu unterhalten. Zu ihrer eigenen Empörung träumte sie jedoch hin und wieder davon, in Leofs Armen zu liegen, träumte von seinen Lippen, seinen Händen, der Wärme seines Körpers. Wenn sie erwachte, kam ihr das Bett kälter vor. Aber sie gestattete es sich nicht, deshalb zu weinen, und zog es auch nicht in Betracht, davonzulaufen. Sie war zufrieden damit, so sagte sie sich, hier draußen auf dem Hof zu leben. Sie versuchte, die Erinnerungen an ihre Wanderschaft zu ignorieren, und unterdrückte das Verlangen, weiterzuziehen, frei zu sein, die Sonne auf ihrem Rücken zu spüren, während sie nach Norden zog. Hier ist genug Sonne, redete sie sich ein. Sie versuchte, so zu tun, als habe sie keine Angst davor, wieder auf Wanderschaft zu gehen, doch das hatte sie.
Wenn sie aufhörte, an Rennen teilzunehmen, würde sie vermutlich auch aufhören zu leben und wieder eine lebende Tote werden. An einem Frühlingsmorgen schaute sie hinauf, um die Zugvögel zu beobachten, die über ihr dahinzogen, Schneegänse und Eiderenten und, darüber noch, die großen Kraniche, unterwegs nach Norden. Sie legte das Zaumzeug, das sie gerade flickte, ab und machte mit dem Rotschimmel einen Ausritt in den Wald. Sie wurde das Gefühl nicht los, nicht wirklich dort zu sein, wo sie sein sollte. Aber letztendlich blieb sie bei Gorham und fand wegen der Leere in ihrem Leben sogar noch mehr Gefallen an den Rennen.
Sie übernahm die Nachtwachen bei den trächtigen Stuten, während Gorham mit den Besitzern in der Stadt zu Abend aß. Mit Freude übernahm sie die Einjährigen und Zweijährigen, um sie zu zuzureiten, auszubilden, sie liebevoll dazu zu bewegen, mit Menschen zu arbeiten. Schwierig daran war, sie hinterher wieder wer weiß was für einem Herrn zu übergeben. Allerdings kam es häufig vor, dass Gorham einen Verkauf ablehnte, weil ihm der Reitstil des Käufers nicht gefiel oder die Art, wie er dem Pferd ohne Not seine Hacken in die Flanken grub. Mit einem Käufer des Kriegsherrn, der Sporen trug, redete er nicht einmal.
Diese Weigerung barg kein Risiko, denn Pless war eine freie Stadt und recht weit entfernt von der Domäne des betreffenden Kriegsherrn. Dennoch bewunderte ihn Bramble dafür. Allerdings verkaufte er trotz ihrer Einwände nun regelmäßig Pferde an den Kriegsherrn in Sendat, Thegan.
»Egal, wie er seine Leute behandelt, seine Pferde behandelt er gut«, sagte Gorham. »Und er bezahlt auch gut.«
Im Spätherbst, zwei Jahre, nachdem sie zum Bauernhof gekommen war, trat Gorham eines Morgens mit einem sonderbaren Ausdruck auf dem Gesicht auf sie zu, halb glücklich, halb besorgt. Er war den ganzen Tag über abgelenkt.
Als er zum dritten Mal innerhalb einer Stunde die Mistgabel nicht fand, obwohl sie direkt vor seiner Nase stand, blickte ihn Bramble erstaunt an.
»Also schön, was ist passiert?«, fragte sie und drückte ihm die Mistgabel in die Hand.
Er stand da, betrachtete die Mistgabel und lachte dann betreten. »Zel und Flax sind hier, meine Kinder.«
»Tja, das ist doch schön. Oder nicht?«
»Flax ist krank. Er hat das Wechselfieber. Früher sind sie immer ein paar Tage geblieben und dann wieder auf Wanderschaft gegangen. Aber jetzt, da Flax krank ist, sieht es so aus, als blieben sie den ganzen Winter. Und Osyth macht sich Sorgen, die Bewohner der Stadt
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