Die Prophezeiung der Steine
seinen blassen Körper.
»Berge von Essen«, sagte sie.
Er zog sich eine braune Jacke an und salutierte, die Faust an die Brust gedrückt. »Jawohl, Ma’am!« Als er die Hand wieder herunternahm, fiel Licht auf ein Emblem an seiner Schulter. Es zeigte einen Speer und ein Schwert, miteinander gekreuzt.
Bramble kam sich so dumm vor, als würden sich ihre Gedanken im Schneckentempo bewegen. »Du bist ja … der Mann eines Kriegsherrn.«
Er nickte und schnürte sich die Stiefel zu. »Einer von Thegans Männern«, sagte er. »Ich komme zwar aus der Cliff Domain, aber er hat mich hierher berufen, damit ich ihm eine Weile in Sendat dienen kann.«
»Du bist der Mann eines Kriegsherrn .«
»Nun betone es doch nicht so, Liebste.« Er hatte sich die Stiefel zugebunden und stand auf. »Ein großes, richtig großes Mahl, was? Ein bisschen was von allem. Und Wein?«
Bramble zitterte. Ihr war entsetzlich übel, sie hätte sich übergeben können, war aber nicht imstande, den Kloß in ihrem Hals zu überwinden. Der Mann eines Kriegsherrn. Sie hatte ihn gewollt, hatte ihn gewähren lassen … Sie wollte aus dem Bett heraus, sich ihre Sachen anziehen und weglaufen, konnte aber plötzlich die Vorstellung nicht ertragen, dass er sie nackt sah.
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
Er verharrte mitten in seiner Bewegung und suchte ihr Gesicht ab. »Was macht das für einen Unterschied?«
»Einen großen.«
»Was denn, wärst du nicht mit mir hierhergekommen, wenn du gewusst hättest, dass ich einer von Thegans Leuten bin?«
»Ich hätte kein Wort mit dir geredet.«
»Warum denn nicht?« Seine Überraschung war echt.
»Männer der Kriegsherrn sind … dort, wo ich herkomme, nicht beliebt.«
»Ach so.« Er setzte sich auf die Bettkante. »Es stimmt schon, manche Kriegsherren missbrauchen ihre Macht. Und ich vermute, sie ziehen die falsche Sorte Menschen an. Aber wir sind nicht alle schlecht, Liebste.«
Er lächelte sie zärtlich an und streckte die Hand nach ihr aus, um ihre eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu schieben. Sie wich zurück, bis ihr Kopf gegen die Wand stieß. Es war die gleiche Reaktion, die sie dazu gebracht hatte, den anderen Mann des Kriegsherrn zu treten, als dieser nach ihrem Bein gelangt hatte. Sie konnte es nicht ertragen, von ihm berührt zu werden.
Er saß wie erstarrt da. »Ist es so schlimm? Hasst du uns so abgrundtief? Uns alle?«
»Männer des Kriegsherrn sind Schläger und Tyrannen und saugen die Menschen aus wie Blutegel.«
»So ist das in der Cliff Domain aber nicht. Das verspreche ich dir.«
»Tatsächlich.« Sie war nicht überzeugt.
»Tatsächlich!« Er sprang auf. Nun war er wütend. »Ohne uns wären die Leute schlimmer dran oder gar tot. Wir beschützen sie.«
»Vor anderen Kriegsherren! Gäbe es keine Kriegsherren, bräuchten sie dich nicht, oder?«
»Doch, das würden sie! Wir beschützen sie vor Plünderern, vor den Leuten des Eiskönigs. Ohne uns wäre die ganze Domäne zerstört, genau wie es mit Cliffhaven geschehen ist.«
»Was ist Cliffhaven?«
»Ein paar Dörfer, oben in der Nähe des Bergpasses. Vor
zwanzig Jahren kamen die Leute des Eiskönigs herunter und töteten jeden - jeden! - in den beiden Dörfern. Ich habe es gesehen - mein Vater hat mich dorthin mitgenommen, damit ich wüsste, wofür wir übten, wofür wir kämpften. Thegan war es, der sie dann wieder über die Berge zurückgetrieben hat. Er ist ein großer Mann, ein großer Führer. Ich bin stolz, ihm zu folgen!«
Ihre Übelkeit verebbte und hinterließ eine Leere. Dieser hohle, tote Platz in ihrem Inneren war immer noch da. Sie hatte geglaubt, dass Leof … dass der Dämon sich getäuscht haben könnte. Aber wie konnte sie einen Mann des Kriegsherrn lieben? Selbst einen, der glaubte, dass er Gutes tat? Und vielleicht brauchten sie dort oben in den Bergen ja wirklich Schutz, trotzdem war er jemand, der mit Blut handelte und sich aufs Kämpfen verlegte, um Probleme zu lösen. Und er arbeitete für Thegan, der so kalt gewirkt hatte … Sie fühlte sich sehr müde.
»Geh, und hol dir dein Essen«, sagte sie. »Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann bei einem anderen Rennen.«
»Das war es?«
»Das war es.«
»Kannst du an dem Schwert nicht vorbeisehen?« Er deutete auf die Zimmerecke.
Dort lehnte ein Schwert in einer Lederscheide an der Wand, eine unauffällige, ungeschmückte, für das Töten geschaffene Waffe. Während Bramble es nun anstarrte und begriff, dass es schon die ganze Zeit dort gestanden
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