Die Prophezeiung der Steine

deutlich unbekümmerter, trotz seiner neuen Verantwortung als Ratsmitglied.
    Etwa zur gleichen Zeit kaufte sich Gorham einen Golden-Valley-Hengst mit einem preisgekrönten Stammbaum, einen mit breiter Brust ausgestatteten Palomino mit einem schalkhaften Blick.
    An dem Tag, als er ankam, war Gorham außer sich, war so aufgeregt, wie Bramble ihn noch nie erlebt hatte. »Das ist es«, sagte er. »Jetzt hören wir auf damit, die Pferde von anderen zuzureiten, und fangen damit an, unsere eigenen zu züchten.«
    Sie lächelte ihn an, denn auch sie freute sich. Sie hatten sich nach und nach einen Zuchtbestand an Stuten zugelegt, mussten diese jedoch zum Decken durch einen Hengst zu anderen Höfen bringen. Bramble gefiel es nicht, ihre trächtigen Stuten in fremden Händen zu lassen, aber da sie innerhalb eines Monats, nachdem sie ihre Fohlen geboren hatten, wieder gedeckt werden mussten, gab es keine andere Möglichkeit. Nun konnten die Stuten bei ihnen bleiben, und Bramble würde sich mit Freude daran machen, bei der Entbindung der Fohlen jener Stuten zu helfen, die andere Leute zu ihrem Hengst zum Abdecken brachten.
    Gorham war bei dem Kauf ein großes Risiko eingegangen, mochte er auch nicht ganz so viel bezahlt haben wie ein Golden-Valley-Hengst normalerweise kostete.
    »Sie sagen, er ließe sich nicht zähmen«, sagte Gorham zu Bramble, während sie zusahen, wie die Pferde der Reihe nach die Straße entlangschritten, wobei die blonde Mähne mitten in der Herde flatterte und der Hengst immer wieder versuchte, sich an die Spitze zu setzen. Er besaß Energie im
Überfluss, bemerkte Gorham befriedigt, obwohl die Reise vom Golden Valley durch den Schlamm und den Schneematsch zu Beginn des Frühjahrs nicht einfach gewesen sein konnte.
    »Es heißt, er sei noch nie geritten worden und er nähme zwar ein Halfter, aber kein Gebiss an«, schnaubte Gorham zuversichtlich und spürte, wie die Erregung immer stärker in ihm wuchs, je näher die Pferde kamen. »Ich muss ihn bloß so nahe heranbringen, dass er die Stuten schnuppert. Die Fohlen erziehen wir dann vom Tag ihrer Geburt an selber - sie werden das Gebiss schon annehmen.« Er tänzelte von einem Fuß auf den anderen. »Er stammt von Gelt aus White Blaze ab!«, wiederholte er zum x-ten Mal. »Von Gelt!«
    Gelt hatte vier Jahre lang jedes Rennen im Land gewonnen, bis es niemanden mehr gab, der gegen ihn wettete. Seine Besitzer zogen ihn daraufhin zu Zuchtzwecken zurück, doch Rivalen mischten ihm bald Schierling in den Hafer, sodass er nur zwei Jahre lang Nachkommen gezeugt hatte. Dieser dreijährige Hengst war einer von nur vier Hengstfohlen, und sein Muttertier war selbst Preisgewinnerin.
    »Er sieht gut aus«, sagte Bramble.
    Und das tat er auch, wie er am Ende eines langen Tages durch das Tor tänzelte, als kehre er lediglich von einem Spazierritt zum Fluss zurück. Er war ein gesundes, glänzendes, wunderschönes Tier, das sich ungehobelt benahm und jedem die Zähne zeigte, der in seine Nähe kam, sogar seinem Stallburschen.
    Gorham nickte Bramble zu. Diese setzte sich daraufhin langsam und leise in Bewegung, bis sie dem Hengst zart in die Nüstern atmen konnte. Der Geruch ließ ihn zunächst reglos stehen bleiben. Dann schüttelte er den Kopf und wich misstrauisch zurück. Zufrieden nickten Gorham und Bramble einander zu. Ihm wohnte keine Bösartigkeit inne,
lediglich Schalk sowie ein Hass darauf, eingesperrt zu werden und gesagt zu bekommen, was er tun sollte.
    Letzteres konnte Bramble gut verstehen. Sie spürte seine Starrköpfigkeit - den Willen, sich niemals beherrschen zu lassen, niemals unterwürfig zu sein - wie einen Tritt vor die Brust. Hätte sie Gorham nicht gemocht, wäre sie vielleicht in diesem Augenblick auf den Hengst gesprungen und hätte ihn bis zu seiner Erschöpfung davongaloppieren lassen und seinen Freiheitsdrang dazu benutzt, sich von ihrer eigenen Fessel zu befreien … Aber sie mochte Gorham, und da war ja auch noch der Rotschimmel, an den sie denken musste. Also unterdrückte sie den Drang zu fliehen und zeigte dem Stallburschen, wo der Hengst untergebracht werden sollte.
    Sie kamen an einem Feld vorbei, auf dem eine Stute und ein neugeborenes Fohlen grasten, woraufhin der Hengst ausbrach und über das Gatter sprang, als wäre es nur kniehoch.
    »Sie wird doch erst in vier Tagen wieder rossig«, sagte Bramble überrascht.
    Der Stallbursche schüttelte den Kopf. »Ist egal. Er mag Stuten. Sammelt sie, könnte man sagen, sogar wenn sie nicht