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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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gegangen?«
    Sie legte eine Pause ein. Offensichtlich beschloss sie, ihm nichts mehr von dieser Geschichte zu erzählen. Sie hatte ein Recht auf ihre Privatsphäre.
    »Nein. Das kam später.«
    »Und dann?«
    »Dann? Wir sind gewandert. Du kennst das Leben doch. Ich deutete die Steine, kaufte uns Brot, bettete Geister zur letzten Ruhe, versorgte Elva, ernährte sie und liebte sie auch …«
    Ash hörte Doronits Stimme widerhallen - Warum habe ich dir Kost und Logis gewährt und - ja - dich die ganze Zeit dabei geliebt? - und blendete das, was Martine sagte, einen Moment aus.
    »… und dann waren wir in Carlion, und Ranny von Highmark kam wegen einer Deutung zu mir. Du weißt, was dann passiert ist. Ich war eine Närrin, nicht wahr? Danach war es für Elva nicht mehr sicher, in meiner Nähe zu sein. Ranny hätte nur allzu gern gesehen, wie ich ihrer beraubt und voller Kummer gewesen wäre. Mittlerweile war Elva eine Frau und wunderschön, auch wenn kaum jemand über ihre weiße Haut hinwegsehen kann. Sie hat mich verlassen, um ihren eigenen Platz zu finden, vor fünf Jahren, als sie sechzehn war. Also. Dorthin gehen wir - zu Elva.«

    »Bloß auf einen Besuch?«, wagte er zu fragen.
    Amüsiert schaute sie ihn in dem verblassenden Dämmerlicht an.
    »Hast du schon einmal versucht, die Steine zu deuten, Junge? Du siehst weiter als die meisten. Nein, nicht bloß auf Besuch. Die Steine haben mir … Warnungen zukommen lassen, in Bezug auf Elva, obwohl es unter keinem guten Stern steht, für den eigenen Bedarf zu deuten. Eine Steinedeuterin sieht nur selten die Wahrheit bei denen, die sie liebt. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass Elva froh sein könnte, mich zu sehen, und das nicht nur, weil sie mich liebt.«
    Den Rest des Tageslichts verbrachten die beiden stumm nebeneinander hergehend. Ash verlor sich in einem Tagtraum über dieses wunderschöne weißhaarige Mädchen, das nur ein Jahr älter war als er selbst … Es hinderte ihn daran, weiter an Doronit zu denken, und daran, was diese gerade tat, ob sie ihn bereits ersetzt hatte; es hielt ihn davon ab, sich vorzustellen, wie es gewesen wäre, wenn er Martine getötet hätte und nach Hause gegangen wäre, um mit Doronit das Bett zu teilen.
    Martine sagte erst wieder etwas, als sie einen Wasserlauf erreichten, der die Straße querte, nicht weit von einem Zeltplatz entfernt: »Zeit, ein Feuer zu machen.«
    In dem Sack, den Ash trug, war ein Zelt, das er nun aufbaute, während Martine unter einem Stechpalmenbusch Feuerholz und trockenes Reisig sammelte. Dabei scheuchte sie eine Echse auf, die in die zunehmende Dunkelheit flüchtete. Jede Bewegung, jeder Augenblick erinnerte ihn an die langen Jahre der Wanderschaft mit seinen Eltern. Es war ein Vergnügen und zugleich ein Schmerz.
    Sie setzten sich ans Feuer, aßen und krochen dann in das Zelt, Rücken an Rücken, Wärme an Wärme. Er wartete,
bis er sie langsam und gleichmäßig atmen hörte, und ließ dann seine Tränen auf den Ärmel tropfen, damit es am nächsten Morgen keinen verräterischen Fleck im Zelt geben würde. Er dachte an gar nichts mehr, sondern weinte nur stumm und fortwährend, bis der Mond aufging und er einschlief.
    Am Morgen packten sie ihre Sachen, und Ash löschte das Feuer, während Martine sich ihr Haar bürstete und flocht. Es war ein schöner Morgen nach dem Regen, obwohl der frische Herbstwind im Hochland recht schneidend war. Die Sonne fing den Glanz auf Martines Haar ein. Ash starrte sie aus den Augenwinkeln an. Dies tat er nicht bloß, weil sie wunderschön war, so wie sie mit ihrer Bürste in der Hand dastand und sich bei jedem Strich wiegte. Sondern er betrachtete sie, den Lichtschein in ihrem Haar, das sich bewegte, während die Bürste hindurchfuhr und seinen Blick anzog und Formen zu weben schien, die fast Gestalt annahmen. Es reflektierte wie Sonnenlicht auf Wasser, sich dabei ständig verändernd, ihn anlockend … Die Formen waren beinahe klar … Er zwang sich dazu, seinen Blick abzuwenden, und beschloss, an der Straße auf Martine zu warten. Er hatte schon von Wanderern gehört, die den Seherblick besaßen, seherische Fähigkeiten, die sich bei Licht zeigten. Doch damit wollte er nichts zu tun haben. Selbst unter Wanderern galten solche Leute als unheilvoll. Es gab bei ihm schon genug, was ihn von den anderen absonderte. Er hatte nicht vor, sich noch mehr von ihnen zu unterscheiden, als nötig war.
    Mit sorgsam geflochtenem Haar, bei dem ihr der Zopf bis weit auf den Rücken

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