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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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ausweichen, dessen Fahrer sie als nutzlose Wanderer beschimpfte, die im Schmutz herumsaßen und hart arbeitenden Menschen den Weg versperrten.
    Sie grinsten einander an und setzten ihren Weg fort.
    So machten sie tagelang weiter und unterbrachen ihre Reise in Dörfern, wo Martine im Austausch für Kost und Logis Deutungen vornahm. Sie schliefen in Scheunen, in Schäferhütten, auf dem Boden von Gasthofställen oder im Zelt. Die Hecken und Bäume waren voller Vögel, und abends und morgens war der Himmel voller Schwärme, die
Übungsflüge unternahmen, bevor sie sich auf den Zug gen Süden zum Überwintern machten. Ash hatte das hohe, sich erhebende Lied der Feldlerchen vergessen und auch die Art, wie das gellende Zirpen der Heuschrecken einen taub zu machen schien, wenn man durch ein Tal zog.
    Sie gewöhnten sich an den Geruch ihres Schweißes, bis sie ihn nicht mehr wahrnahmen. Doch Wanderer wissen, dass, wenn man sich nicht regelmäßig wäscht, die Leute in der Stadt nichts mit einem zu tun haben wollen - was komisch ist, sagte Ashs Mutter immer, denn die meisten Städter wuschen sich wochenlang nicht. Aber der Schweiß von Wanderern roch für sie fremdartig und unangenehm.
    Daher unterbrachen die beiden ihre Reise an Bächen und Weihern, dankbar dafür, dass es kein trockener Sommer gewesen war, und wuschen sich, wobei jeder im Wechsel für den anderen Wache hielt. Ash versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie Martine beim Baden aussah, wenn er Wache hielt. Er schaute weg, wenn sie sich morgens die Haare bürstete, war entschlossen, sich von seinen seherischen Fähigkeiten keinen Streich spielen zu lassen. Stattdessen vertiefte er sich in Fantasien über das weißhaarige Mädchen und verweigerte es sich, an Doronit zu denken.
    Es gab keine Anzeichen dafür, dass Doronits oder Rannys Leute hinter ihnen her waren, und letztendlich fühlte es sich fast wie ein Urlaub an, außer dass sich Martine Sorgen um Elva machte. Sie sagte es zwar nicht, aber er merkte es. Sie ging eine Weile stumm vor sich hin, während ihr Gesicht immer ernster wurde und ihre Stirn sich allmählich in Falten legte. Schließlich schüttelte sie den Kopf, wandte sich ihm geradezu verzweifelt zu und sagte: »Wie wäre es mit einem Lied?«
    Sie hatte bemerkt, dass er die Verse aller Balladen, Geschichten und Liebeslieder zwar nicht singen, dafür jedoch
rezitieren konnte. Allerdings machte sich dies bei Liebesliedern nicht so gut wie bei Wanderliedern. Und manche der Geschichten waren uralt.
    »Welches ist das älteste Lied, das du kennst?«, fragte ihn Martine eines Tages.
    »Oh, das ist das Lied des Überfalls, The Landtaken Ballad .«
    »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
    Also fing er damit an, auch wenn es sich um ein Lied handelte, das ihn immer sowohl begeisterte - aufwühlte, wie es Lieder von Schlachten und Ruhm häufig bewirkten - als auch wütend machte darüber, wie zufrieden Actons Männer gewesen waren, als sie seine Vorfahren getötet hatten.
    Hell schien am Morgen die Frühlingssonne,
Hell in der Sonne schienen die Speere unseres Heers,
Hell die grimmigen Augen von Acton dem Kühnen,
Als sie die kalte Straße nahmen, die zum Death
Pass führte.
    Über den Death Pass waren Acton und seine Männer bei ihrem ersten Einfall über die Berge gekommen. Sie waren bei den ersten Anzeichen von Frühlingstauwetter ins Flachland gezogen, hatten sich durch brusthohen Schnee gekämpft und sich dabei so vorsichtig wie möglich bewegt, um nicht jene furchtbaren Lawinen auszulösen, die dem Death Pass seinen Namen gaben. So etwas zu tun war Irrsinn, und nur deshalb konnten sie die Menschen, die auf der anderen Seite des Passes lebten, abschlachten. In früheren Jahren hatten diese Menschen sich gut vor den sommerlichen Angriffen von Actons Stamm gewappnet. Als ihr Feind dann aber aus dem Nebel und Schnee heraus auftauchte, mit Schwertern und Speeren in der Hand, waren sie überrascht worden.

    Hell floss das Blut des dunkelhaarigen Feindes,
Rot tropften die Schwerter der Eroberer.
Gewaltig die Schlachten, gewaltig die Heldentaten
von Actons Kampfgefährten, den mutigen Männern.
    Niemand war mit dem Leben davongekommen, nicht einmal die Babys. In der Vergangenheit hatte der Stamm von jenseits der Berge bei seinen Angriffen Männer getötet, Frauen vergewaltigt, sich mit Beute beladen und war wieder verschwunden. Dieses Mal blieben sie. Die Landnahme nannte Acton den Raub des Landes; es war der größte Raub, der je stattgefunden

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