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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Windhauch und beruhigten ihn schneller als alles andere.
    Sie nippte an ihrem Tee und streichelte ihm die Hand. »Aber das tust du bestimmt nie wieder.«
    Stumm schüttelte er den Kopf. Das hatte er nicht erwartet - dass sie diese Übung genauso analysieren würde, wie sie jede andere Lektion analysierte, die sie ihm erteilte. Unterschied sich denn ein Mord nicht von Waffenübungen oder Schreiben?
    »Gut.« Sie hielt seine Hand eine Weile sanft fest. Er spürte die Weichheit ihrer Haut. Bemüht, in ihren Augen entspannt zu wirken, wandte er sich dem geschäftigen Treiben auf dem Platz zu.
    Dieser war so belebt wie immer am Abend. Das Geschnatter
und Geplapper der Leute machte zwar keinen Eindruck auf Ash, doch er war sich der Schutzwachen äu ßerst bewusst, die an den offenen Türen der Geschäfte der Geldverleiher standen, Knüppel in der einen Hand, die andere nah an ihren Dolchen. Ash schaute sie neidvoll an. Bald würde seine Ausbildung abgeschlossen und er einer der ihren sein. Er fragte sich, ob auch sie als Teil ihrer Ausbildung jemanden hatten umbringen müssen. Von seinem Standort aus konnte er fast zwanzig Schutzwachen vor privaten Arbeitszimmern und dem Bürgerhaus stehen sehen. Das waren eine Menge Tote.
    Doronit tätschelte seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. »Heute Abend hast du in Notwehr gehandelt. Auf diese Art ist das Töten leicht. Aber vielleicht kommt der Moment, in dem du jemanden töten musst, der nicht versucht, dich zu töten. Was wirst du dann tun?«
    Um Zeit zu schinden, nippte er an seinem Tee. »Wenn er töten oder jemanden anderen verletzen wollte, dann würde ich diesen Menschen schützen.«
    Dieses eine Mal aufrichtig erfreut, setzte sie ein Lächeln auf. »Nun, und das ist es letztlich doch, was Schutzwachen tun«, sagte sie beruhigend. »Sie beschützen.«
    Der erste Schritt war, zu töten, um sich selbst zu schützen. Der zweite würde darin bestehen, zu töten, um jemand anderen zu beschützen, einen Unschuldigen. Der dritte, um jemanden zu beschützen, der seinen Schutz genau deswegen von jemandem erkauft hatte, weil er nicht unschuldig war. In einem Jahr würde er jedwedem die Kehle aufschlitzen, den sie ihm nannte, und hinterher doppelt so gut schlafen wie sonst.

    Sie weckte ihn vor der Dämmerung, als er gerade von ihr träumte. Er wurde rot und glaubte, sie könne es bemerkt
haben - was hatte er wohl gesagt oder getan, während sie ihn beobachtet hatte? Doch sie deutete lediglich mit dem Kopf zur Tür.
    »Manchmal wirst du tagelang ohne Schlaf auskommen müssen«, sagte Doronit. »Das ist eine Fertigkeit, die man üben kann. Also. Lauf los.«
    Ash rannte los. Er hätte alles für sie getan. Er wusste, wie viel er ihr schuldete. Das hatte er vom ersten Tag an gewusst, als seine Eltern ihn zu Doronit gebracht hatten. Er hatte nicht wirklich daran geglaubt, dass sie ihn als Lehrling annehmen würde, nicht, nachdem der Bäcker und der Metzger, ja sogar das Schlachthaus ihn abgelehnt hatten, weil er ein Wanderer und deshalb nicht vertrauenswürdig war. Warum sollte das Haus einer Schutzwache, dessen Geschäft es war, vertrauenswürdig zu sein, jemanden aufnehmen, dem man von seiner Abstammung her nicht trauen durfte?
    Aber sie hatten es bei Doronit gewagt, weil sie das dunkle Haar des alten Blutes hatte und weil, wie Ash nun erkannte, seine Eltern wahrscheinlich gewusst hatten, dass sie wenig Wert auf die Meinung anderer legte, da sie sich der ihren so sicher war. Diese Sicherheit war für ihn ein Trost, vor allem, weil sie davon überzeugt zu sein schien, dass er wertvoll für sie sein konnte. Wenn er denn erst einmal ausgebildet war. Im Moment lag er ihr nur auf der Tasche und verschwendete ihre Zeit, ohne einen Gegenwert für sie zu erwirtschaften. Und mit neunzehn war er eigentlich zu alt für einen Lehrling, obschon Doronit gesagt hatte, dass sie keine Verwendung für die üblichen Vierzehn- und Fünfzehnjährigen habe.
    »Die sind nicht stark genug«, hatte sie gesagt und ihre Hand dabei bewundernd über seinen Arm gleiten lassen. »Und nicht reif genug, um mit der Arbeit klarzukommen, mit der sie es zu tun haben.«

    Also lief er durch die zunehmende Hitze des Morgens und gab sein Bestes. Die Fertigkeiten, die er besaß, brachten abseits der Straße nichts ein: ein mittelmäßiger Trommler zu sein und Hunderte Lieder auswendig zu können (ohne in der Lage zu sein, sie zu singen) brachte kaum jemandem etwas ein. Wenn Doronit bereit war, ihn mit nichts

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